Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
26

Zur zeitlichen Abfolge der Hortfunde, ihrem Inhalt und Quellenkritik

Nackenbruchstück eines zweiten (niedersächsischer
Typ Marwedel, Variante Buchholz) sowie ein „säch-
sisches“ Randleistenbeil mit eingezogener Beilmit-
te (niedersächsischer Typ Barskamp) und das Na-
ckenbruchstück eines Randleistenbeiles mit nahezu
parallelen Seiten (niedersächsischer Typ Schut-
schur) lagen mit verschiedenem Ringschmuck zu-
sammen in dem Hortfund von Marwedel, (KatNr.
77). Beide Hortfunde belegen die Gleichzeitigkeit
der Schmuckhorte mit den zuletzt genannten For-
men der Randleistenbeile und datieren damit einer-
seits in einen späten Abschnitt der Aunjetitzer Kul-
tur Mitteldeutschlands, andererseits aber auch, da
sich diese Randleistenbeilformen mit den Fund-
stücken der Sögel-Wohlde-Gruppe, die im Weserbe-
reich und westlichen Niedersachsen (Laux 2000a,
5-6) verbreitet ist, ausschließen, zumindest in einen
frühen Abschnitt dieser späten niedersächsischen
Frühbronzezeit-Kultur.
Der Hortfund von Marwedel (KatNr. 77) lässt
darüber hinaus noch weitere Aussagen zu. Er ent-
spricht in seiner Zusammensetzung dem wesent-
lich umfangreicheren Hortfund von Falkenwalde,
Kr. Prenzlau (Bohm 1935, 104, Taf. 2-4). Es handelt
sich dabei nicht nur um Schmuckschilde (Gandert
1938, 48-50), sondern auch um „sächsischen“ Rand-
leistenbeile mit leicht geschwungenen Seiten und
konkavem Bahnquerschnitt, Ösenhalsringe, Hals-
ringe mit glatten und gepufferten Enden, Armringe
verschiedener Formen, ferner um Armspiralen,
Blechbänder, gerippte Armstulpen, kantige Wulst-
ringe, Ringchen, Noppenringe und Spiralen. Dazu
kommen Malchiner Vollgriffdolche, eine einfache
Dolchklinge mit kräftiger Mittelrippe, ein kleiner
Randleistenmeißel mit geknickten Seiten und zwei
Randleistenbeile mit parallelseitigem Oberteil und
glockenförmiger Schneide. Dieser zuletzt genannte
Typ der Randleistenbeile kommt auch in weiteren
Hortfunden aus der nördlichen Peripherie der Aun-
jetitzer Kultur vor, so in den Hortfunden von Neu-
Bauhof, Kr. Malchin (Schubart 1973, 129-130,
KatNr. 219, Taf. 103), und Kläden, Kr. Stendal (Ste-
phan 1956, 44-45, Taf. 2; v. Brunn 1959, 61, Taf.
54. 55,1-3), die Randleistenbeile mit leicht ge-
schwungenen Seiten und konkavem Bahnquer-
schnitt (niedersächsischer Typ Marwedel) z.B. in
den Hortfunden von Stubbendorf, Kr. Malchin
(Schubart 1973, 160-161, Taf. 102), und im thürin-
gischen Orlishausen, Kr. Sömmerda (v. Brunn 1959,
64, Taf. 71. 72,1-4). Alle diese Hortfunde würden
nach niedersächsischen Maßstäben in die Zeitstufe
Marwedel datieren, die auf die Zeitstufe Veltheim
folgt (Laux 2000a, 4-9).

Von Interesse sind auch die im Hortfund von
Marwedel (KatNr. 77) geborgenen Schmuckschilde
mit Innenzier. Vergleichbare Fundstücke finden
sich im nordwestlichen Vorland der mitteldeut-
schen Aunjetitzer Kultur, so in den Hortfunden von
Klein Wesenberg, Kr. Stormarn (Schleswig-Hol-
stein) (Hingst 1959, 489, Taf. 59,4-7), Tuchheim,
Kr. Genthin (Sachsen-Anhalt) (v. Brunn 1959, 68,
Taf. 93,6-9), und Falkenwalde, Kr. Prenzlau (Bran-
denburg) (Bohm 1935, 184; Hachmann 1957, 202
KatNr. 355).
An diese sich hier abzeichnenden Verbindun-
gen in die nördlich vorgelagerte Zone der Aunjetit-
zer Kultur weist auch ein weiterer, bisher noch
nicht vorgestellter Hortfund aus dem Hannover-
schen Wendland, der allerdings zeitlich etwas spä-
ter datiert werden muss. In dem zwischen 1853 und
1876 in einem Tongefäß aufgefundenem Hortfund
von Banzau, Ldkr. Lüchow-Dannenberg (KatNr.
61; Taf. 14,1-6), fanden sich eine Nadel mit rundem
Scheibenkopf mit Buckelzier, zwei Armspiralen aus
breitem, abgerundetem Bronzeband, ferner noch
Brillenspiralen Spiralröllchen und Spiralringe aus
Golddraht. Dieser Hortfund gehört in eine Reihe
mit den brandenburgischen Hortfunden von Lem-
mersdorf, Kr. Prenzlau (Bohm 1935, 101, Taf. 14;
Hachmann 1957, 203 KatNr. 358), Angermünde,
Kr. Angermünde (Bohm 1935, 114, Taf. 15; Hach-
mann 1957, 202 KatNr. 350), Arnimshain, Kr. Tem-
plin (Bohm 1935, 116, Taf. 16; Hachmann 1957,
202 KatNr. 351) und dem pommerschen Hortfund
von Clempenow, Kr. Demmin (Kersten 1958, 37
KatNr. 352, Taf. 32; Hachmann 1957, 198 KatNr.
276, Taf. 35,1-5). In diesen Hortfunden lagen nicht
nur buckelverzierte Scheibenkopfnadeln mit runden
Kopf und lange Armspiralen, sondern auch geripp-
te Halskragen, Bronzebänder, Bronzeblechgürtel
mit Buckelzier, Brillenspiralen, frühe Stachelschei-
ben, dünne Ösenhalsringe, Beinbergen vom Typ
Regelbrunn und Spiralröllchen. Außerdem Waffen,
wie z. B. Lanzenspitzen, Randleistenbeile vom bran-
denburgisch-pommerschen Typ, ein Randleistenbeil
mit geknickten Seiten sowie ein Stegbeil. Der Hort-
fund von Banzau ist der am weitesten im Westen
angetroffene Vertreter dieser in Pommern, Meck-
lenburg und Brandenburg beheimateten Hortfund-
gruppe. Diese Horte folgen zeitlich auf jene des
Typs Marwedel-Falkenwalde auch wenn sie noch
einzelne Fundstücke dieser Zeitphase enthalten.
Die neuen Formen rechtfertigen es, diese Horte
nach niedersächsischen Maßstäben in die ausge-
henden Frühbronzezeit bzw. die beginnende ältere
Bronzezeit zu datieren.
 
Annotationen