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Zusammenfassung und Ergebnis

legt worden sind. Der Henkel dieser Tasse ist ab-
sichtlich abgebrochen worden, um so die Abdeckung
des Fundkomplexes mit einer Tontasse sicherzustel-
len. Den Inhalt bilden Fertigprodukte, Gussrück-
stände und Brucherz. Zu den Fundstücken der
weiblichen Schmucktracht kommen noch ein Tül-
lenbeil mit glockenförmig abgesetzten Breitseiten
und drei Armringe aus Gold.
Bei diesen und weiteren Hortfunden handelt
es sich um Händlerdepots, wobei diese Händler in
Niedersachsen in einem relativ eng umgrenzten
geographischen Bereich zwischen Weser, Elbe und
dem Braunschweiger Land auch zerbrochene und
reparierte Trachtbestandteile als Brucherz einsam-
melten.
Mit Hilfe der einzelnen Schmuckgattungen und
ihrer Anzahl und Zusammensetzung versucht W.A.
v. Brunn (v. Brunn 1980, 91-112) bei der Behand-
lung der Hortfunde der jungbronzezeitlichen Perio-
de V im Raum zwischen Elbe und Weichsel - der
hier behandelte Bereich westlich der Elbe ist dabei
nicht berücksichtigt - auf die Anzahl der Opfern-
den zurückzuschließen. Er stützt sich dabei jeweils
auf den Hals-, Arm-, Brust- und Beinschmuck.
Die Überlegungen laufen darauf hinaus, dass
jeweils mehrere weibliche Personen, darunter zu-
mindest eine, die besonders herausgehoben ist, die
jeweiligen Opfergaben an einer besonderen Örtlich-
keit niederlegten. Zur weiblichen Schmucktracht
rechnet v. Brunn zudem auch die großen „Hängebe-
cken“ der Periode V. Nach allgemeiner Ansicht soll-
ten diese „Hängebecken“ als Gürtelschmuck auf
dem Rücken getragen worden sein, was kaum mög-
lich ist, da der Rand nicht die Körperrundung auf-
nimmt, sondern gerade und verstärkt ausgebildet
ist. Darüber hinaus bilden auch die über den Rand
hinausragenden Ösen ein Hindernis, sodass ein län-
geres Tragen nur Schmerzen verursacht hätte (Laux
1982b, 254). Diese „Hängebecken“ können demzu-
folge nur als Metallgefäße angesehen werden.
Welche Bedeutung haben nun diese Brucherz-
horte der jungbronzezeitlichen Perioden IV und V?
In die Grabfunde der jüngeren Bronzezeit gelangen
nach der vollständigen Übernahme der Brandbe-
stattungssitte zu Beginn der Periode IV kaum noch
Grabbeigaben, so bei den Männern gelegentlich in
wechselnder Zusammenstellung ein Rasiermesser,
eine Pinzette und/oder ein Tätowierstift, bei den
Frauen kleine Ringchen, die als Kopf- oder Gürtel-
schmuck angesprochen werden müssen und verein-
zelt auch eine Nadel. Seit der mittleren Bronzezeit
setzt sich die Schmucktracht der Frauen regelhaft
aus Hals-, Arm- und Brustschmuck zusammen, der

durch Kopf-, Finger- und Beinschmuck ergänzt wer-
den kann. Diese Schmucktrachten gelangten als
Grabbeigaben in die Baumsärge; dagegen bleiben
Hortfunde der mittleren Bronzezeit mit weiblichem
Schmuck selten. Was geschah aber mit den weiter-
hin vorauszusetzenden reichen Schmucktrachten
der Frauen, die, das zeigen die Hortfunde der jung-
bronzezeitlichen Perioden IV und V sehr deutlich, in
gleicher Weise zusammengesetzt sind wie diejeni-
gen der mittleren Bronzezeit? Den verstorbenen
Frauen wurde nun offensichtlich vor der Einäsche-
rung der gesamte Schmuck abgenommen und dann -
sofern er nicht mehr neuwertig war -, einer anderen
Verwendung zugeführt, das heißt, er wurde einge-
schmolzen. Dass die Schmuckstücke zuvor lange
getragen wurden, zeigen nicht nur die Abnutzungs-
spuren des jungbronzezeitlichen Ringschmucks aus
Niedersachsen, sondern auch derjenige aus den
nördlich und östlich anschließenden geographi-
schen Bereichen (v. Brunn 1980, 112-121). Hinzu
kommen die reparierten Halsringe und Bügelplat-
tenfibeln. Andere Fundstücke sind vermutlich bei
ihrer Abnahme zerbrochen und gelangten dann
ebenfalls in die Brucherzhorte. In der Zusammen-
setzung der Brucherzhorte lassen sich keine Gesetz-
mäßigkeiten erkennen, zumal offensichtlich das
zusammengetragen wurde, was verfügbar war. Den-
noch spiegeln insbesondere die Schmuckstücke in
ihrer Gesamtheit die in der jüngeren Bronzezeit ge-
tragene regionale Schmucktracht der Frauen wider.
Nach den Überlegungen von Hundt (1955,
107-113) handelt es sich bei den jungbronzezeitli-
chen Hortfunden um „Totenschätze“, die nach der
Übernahme der Brandbestattungssitte an die Stelle
der Grabbeigaben treten. Diese an sich einleuch-
tende Vorstellung, dass einer einzelnen Person das
gesamte „Vermögen“ für das Jenseits mitgegeben
wurde, erklärt allerdings nicht, warum z.B. eine
weibliche Person außer mit ihrem Schmuck auch
noch mit Absatzbeilen, Tüllenbeilen, Lanzenspit-
zen oder Schwertern bzw. deren Bruchstücken aus-
gestattet wurde. Die gleichen Ungereimtheiten las-
sen sich auch bei den Vorstellungen v. Brunn (1980,
112-121) anmerken, denn warum sollten bei einer
kultischen Niederlegung von Schmuckstücken ei-
ner Gruppe von Frauen (Priesterinnen) ebenfalls
Beile, Lanzenspitzen oder Schwerter bzw. deren
Bruchstücke an „geweihten“ Orten niedergelegt
werden? Die einfachste Erklärung für diese Hort-
funde mit gemischtem Inventar ist, dass es sich um
Hortfunde von ein- und demselben Personenkreis,
nämlich um den der Gießer, Händler und Brucherz-
sammler handelt.
 
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