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Harck, Ole
Nordostniedersachsen vom Beginn der jüngeren Bronzezeit bis zum frühen Mittelalter ([Hauptbd.]) — Hildesheim: Verlag August Lax, 1972

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III. Die Besiedlungskonstanz in den Einzellandschaften
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https://doi.org/10.11588/diglit.65520#0099
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Bevölkerung der römischen Kaiserzeit vornehmlich im Ilmenautal und im westlich angren-
zenden Gebiet mit den Langobarden in Verbindung gebracht und sie bis zum Beginn der
Jastorfperiode zurückverfolgen zu können gemeint, wo man einen bedeutenden Einschnitt
in der stetigen Entwicklung erkennen zu dürfen glaubte. Die auffällige Zunahme von
Grabfunden zu Beginn der Jastorfzeit kombinierte G. Schwantes459 mit dem in bestimmten
Gebieten Skandinaviens angenommenen Besiedlungsabbruch nach dem Ende der jünge-
ren Bronzezeit und vermutete deshalb eine Einwanderung dieser nordischen Stämme in
das Elbtal während der frühen Eisenzeit. Unter der Bezeichnung „suebische Landnahme"
ist diese Hypothese in die Literatur eingegangen460. Obgleich Schwantes an manchen
Funden der Jastorfkultur eine Formenkontinuität seit der jüngeren Bronzezeit nachwei-
sen konnte, lehnte er die Möglichkeit einer Bevölkerungskontinuität ab461.
W. Wegewitz deutete im gleichen Sinne die Zunahme von Funden in der Spätlatene-
zeit als eine zweite „Einwanderungswelle" aus der gleichen Richtung462. Durch formen-
kundliche Untersuchungen an Urnen der vorrömischen Eisenzeit Mecklenburgs meinte
dann W. D. Asmus eine Verlagerung langobardischer Bevölkerung von nördlich der Elbe
ins eigentliche Jastorf gebiet schon zur Ripdorfzeit erkennen zu können463. Der Annahme
„langobardischer" Einwanderungen zur Jastorf- oder Ripdorfzeit widersetzte sich H. Krü-
ger464. Nach seiner Auffassung sei erst die von Wegewitz vermutete spätlatenezeitliche
Einwanderungswelle mit den Langobarden in Verbindung zu bringen. Auch F. Kuchen-
buch deutete gewisse kaiserzeitliche Fundverhältnisse in Nordosthannover und der Alt-
mark als Niederschlag von Einwanderungen465. Danach waren die Träger der altmärki-
schen Kultur der jüngeren Kaiserzeit Langobarden. Der Belegungsabbruch der Friedhöfe
mit Schalenurnen nach 400 n. Chr. fiele mit der Abwanderung langobardischer Stämme
aus dem unteren Elbgebiet zusammen. Die „Restbevölkerung" um Lüneburg und Har-
burg, die auf Friedhöfen der Vahrendorfer Gruppe bestattete, sei später im Sachsentum
auf gegangen466.
Wie aus diesem forschungsgeschichtlichen Abriß hervorgeht, gehörten Stammesfragen
bis in jüngste Zeit zu den wichtigsten Themen in der Diskussion urgeschichtlicher Pro-
bleme Nordostniedersachsens. Die antiken Nachrichten sollten durch Bodenfunde bestätigt
werden. Heute interpretiert man das archäologische Quellenbild nach anderen Gesichts-
punkten: zum Beispiel kann eine Fundlücke entweder auf eine tatsächlich stattgefun-
dene Abwanderung der Bevölkerung zurückgehen, also auf ein historisches Ereignis
hindeuten, oder sie kann durch den Forschungsstand oder eine Änderung der Grab- und
Beigabensitten bedingt sein.
Erst im frühen Mittelalter kann von einem Bevölkerungswechsel gesprochen werden.
An Hand des archäologischen Materials ist eine Einwanderung slawischer Stämme in das
Jeetzeltal zu einem bisher unbekannten Zeitpunkt gesichert. R. Grenz und H. Jankuhn
beschäftigten sich eingehend mit diesem und mit anderen Problemen der slawischen
Besiedlung im hannoverschen Wendland, ohne jedoch zu einem abschließenden Ergebnis
zu gelangen467. Auch die historische Forschung hat hier nicht weiterhelfen können.

459 Zusammenfassend: G. Schwantes, 1958, S. 381 ff. mit älterer Literatur.
«ö G. Schwantes, 1933, Nr. 14, S. 197 ff.
461 G. Schwantes, 1958, S. 385 ff.
462 w. Wegewitz, 1937, S. 150.
463 W. D. Asmus, 1939, S. 254.
464 H. Krüger, 1961, S. 89 ff.
465 f. Kuchenbuch, 1936, S. 211 ff.
466 F. Kuchenbuch, 1938, S. 59 ff.
467 R. Grenz, 1961, S. 23 ff.; T. Capelle, H. Jankuhn und G. Voelkel, 1962, S. 58-70.

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