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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 217
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https://doi.org/10.11588/diglit.32620#0883
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Mmmheimer MoWnblait.
^0. 217. Mittwoch den ^ Septbr. 1842.
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LanVtagsvcrbandlungon-
Earlsruhe, 6. September. 59. öffentliche Sitzung der 2. Kammer. (Forts.)
Baum berichtet: t) über den Theil der Motion des Abg. Nettig, welcher die
Aufhebung des Hausirhandels betrifft. Eine Menge von Petitionen verlangen theils
gänzliche Aufhebung, theils Beschränkung desselben; eine Petition aus dem Schwarz-
Walde verlangt dagegen Beibehaltung des Hausirhandels. Der Antrag geht auf
eine Adresse, worum um Vorlage eines Gesetzes zur unbedingten Aufhebung des
Hausirhandels an den nächsten Landtag gebeten wird und auf Ucbcrweisung der
gegen den Hausirhandel gerichteten Petitionen an das großh. Staatsministerium;
um ein Verbot des Hausirens mit Mustern bei Privaten und gleiches Verbot gegen
die hausircndcn Schneidermeister, endlich auf Tagesordnung in Beziehung auf die
Petition für Beibehaltung des Hausirhandels.
Helbing schließt sich, unter Beziehung auf die oft besprochenen Nachtheile
des Hausirhandels diesen Anträgen an.
Gottschalk billigt das Begehren der Kaufleute um Schutz ihres Gewerbes
gegen den Hausirhandel, glaubt aber, daß für besondere Verhältnisse Ausnadmen
zu gestatten seien, namentlich für die vielen kleinen Fabrikanten auf dem Schwarz-
Walde (Siamois-Fabrikanten.)
Hecker. Der Hausirhandel hat offenbar seine Zeit überlebt. Derselbe war
wKhwendig, als in Deutschland sich die jetzigen Verbindungswege theils nicht, theils
in schlechtem Zustande befanden, mit einem Worte, zur Zeit als die seligen Land-
rutschen im Lande herum rumpelten, und ein halbes Menschenaltcr nöthig war, von
einem Orte zum andern zu kommen. Man muß zweierlei Arten von Hausirern
unterscheiden; nämlich solche, die ihre Waare mit sich herumtragen und solche wel-
che in einem größern Orte ansäßig sind und in höchst eigener Person oder durch
Gchülken dem Publikum auf dem Lande in Dörfern und Landstädten ihre Waare
nach Mustern aufschwatzen, waS namentlich von ausländischen Reisenden geschieht
zum Nachtheilc der inländischen Handelsleute. Die erste Gattung verdient gar kei-
nen Schutz. Jene wandernden Tabulettkrämer tragen einen Vorrath geringer, gleich-
wohl äußerlich scheinender, oft glänzender Waaren herum. Sie müssen solche Waa-
««n, die das Auge täuschen, z»m Gegenstände ihres Betriebs wählen, weil sie wohl-
feiler verkaufen müssen als der solide Handelsmann und weil ihr Wanderleben oh-
nehin einen Aufwand mehr erheischt. Dabei darf ich nicht unbemerkt lassen, wie
gerade die Gattung wandernder Tabulettkrämer immer von der Polizei beargwöhnt
wird, weil man sie, die zum Theil fast familien- und heimathlos sind, nur zu oft
an manchem Unfug Theil nehmen sah. Die andere Gattung des Hausirhandels ist
eben so verderblich. Erstens wird dadurch Mancher von den zudringlichen Hausir-
reisendcn zu unnöthigen Ausgaben beschwatzt, und hlntennach bedauert der Käufer,
daß er sich hat bcthörcn lasst«. Zum andrrn aber hat dieser Verkauf nach Mustern
allzuhäusig noch den N.ichtheil, daß der Besteller eine Waare erhält, welche hinter
dem Muster in jeder Beziehung zurück bleibt; daraus entstehen dann nur Strcitig-
tigkeircn, Prozesse, oder mindestens der Nachtheil, daß die Leute, welche zu einer
unnöthigen Ausgabe verleitet wurden, wenn der Zahltag kömmt, in die größte Ver-
legenheit gcrathen und dann entweder verklagt werden oder zu hohen Prozenten
Geld leihen müssen. Endlich aber verdienen die Kaufleutc auf dem Lande diesen
Schutz in ihrem hoch genug versteuerten Gewerbe. Kaum sind sie noch im Stande
ein wohlaffortirtcs Lager zu palten. Haben sie es auf das Beste eingerichtet, so
wird durch diese zudringliche Hausirconcurren; ihnen jede Möglichkeit des Absatzes
abgelchnitten, ihre Waaren veralten auf dem Lager, und das Neue ist es, was man
begehrt. Wer aber heutzutage seine Wünsche bei dem Handelsmann auf dem Lande
nicht befriedigen kann, der hat leicht Gelegenheit, sein Bedürfnis in einer nahe ge-
legenen größer» Stadt zu befriedigen; ich stimme gegen den Hausirhandel.
Mördes. So wenig als zu irgend einer andern Zeit bin ich heute gesonnen
für die Unordnung, für den Mißbrauch oder für die Beibehaltung schädlicher Bor-
urtbcilc mich zu erheben und wünsche deßalb auch lebhaft, daß in unsere Gesetzge-
bung über Handel und Gewerbe endlich einmal Harmonie und Consequenz gebracht.
Nimmermehr werde ich aber meine Unterstützung einem Verfahren leihen, welches
unbekümmert um Erlstenz und Wohlstand vieler Tausende unserer wackersten Mit-
bürger nur nach Einheit der Vorschriften strebt und den lokalen Verhältnissen gan-
zer Landestheile keine Rücksicht trägt. Ich wiedersetze mich, daher aufs entschiedenste
der eben ausgesprochenen Nivellirungs-Jdee, womit die Redner vor mir und auch
der Kommrffionsbericht allem Hausirhandel entgegcntretcn. Indem ich dieß thue
meine Herren, glaube ich der Humanität das Wort zu reden und rufe alle die ge-
achteten Namen zu Hülfe, welche in diesem Saale stets so lebhaft und warm mei-
ner Klienten sich angenommen, wie dieß unsere Protokolle Nachweisen. Statt vieler
möge der Name unscrs seiten Rotteck Ihnen ins Gedächtnis gerufen werden. Der
Abg. Hecker thcilt die Hausirhändlcr in Zwei Cathcgorien, die seiner eigenen Schil-
derung nach so sehr von einander verschieden sind, daß sich schon daraus ergibt, wie
unpassend und ungerecht cs sein würde, auf beiee die gleiche Regel anzuwcnden.
Er behauptet, das ganze Institut deS Hausirhandels habe sich überlebt, seitdem
die Mittel dcö Verkehrs zwischen Produzenten und Consumenten durch Straßen und
andere Anstalten des Staates das umnittclbare Feilbieten von Jndustric-Erzeugnis-
fc" absolut entbehrlich machten. Mit Recht läßt sich diese Einwendung den Han-
belsreisenden der vorerwähnten zweiten Klaffe entgegen halten, welche nur von Ge-
winnsucht getrieben, das Publikum mit ihren Anträgen bei>»suchen, während ihnen
drr regelmäßige Absatz am Orte ihrer Niederlassung gesichert ist Ich könnte nichts

sehnlicher wünschen, als daß sich auch den Bewohnern des Schwarzwaldcs auf glei-
che Art erwidern ließe. Leider ist dies aber nicht der Fall. Statt der gebahnten
Herrstraßen finden Sie dort unwegsame Pfade, auf welchen, zumal in der rauhen
Jahreszeit, kaum der Nachbar mit dem Nachbar verkehren kann, der Wagen eines
Geschäftsreisenden sich aber niemals dorthin verliert, um die stille Werkstätte der
emsigen Landleute aufzusuchen. Wollen diese die Früchte ihres Fleißes, an welchem
die ganze Familie Theil nimmt, verwerthcn, dann müssen sie selbst den Markt da-
für aufsuchen. I» dieser Beziehung erwähnte man zwar der Bildung von Verei-
nen, 'um in einem gemeinschaftlichen Lager die Fabrikate zusammen zu bringen und
so deren Absatz in Städten gleich andern Handelsartikeln zu betreiben. (Schluß flgt.)
Nachtrag
zur 54. öffentlichen Sitzung der 2. Kammer vom 2. September, die Motion wogen
Preßfreiheit betreffend.
(Fortsetzung.)
v. J tzstein: Der Herr Regierungskommiffar hat mit der Erklärung begonnen,
daß im Jahr 1839 die Regierung sich nicht habe entschließen können, das zugesi-
cherte Gesetz vorzulegen, weil einem Gesetze, wie es die Kammer wünsche, die
Beschlüsse des Bundes entgegenstchen, ein Gesetz dagegen, welches die Regierung
geben könnte, der Kammer nicht angenehm sein würde. Ich bedaurc, daß die Re-
gierung von dieser Ansicht ausgegangen ist; denn man hat sich von Seiten der Re-
gierung darauf beschränkt — statt ein größeres Recht zu fordern, wozu sie befugt
war — um ein Gesetz zu bitten, wonach wenigstens für innere Angelegenheiten
durchaus keine Ccnfur bestehen solle. Man hat sogar gebeten, die Negierung mö-
ge ein Provisorium erlassen; allein auch dieses ist nicht erfolgt. Ich kann daher
nur beklagen, daß die Regierung in dem Glauben ist. mit einer Kammer kein Ge-
setz zu Stande bringen zu können, welche ihre gerechten größeren Ansprüche bis
auf den Punkt ermäßigt hat, daß cs wenigstens den Bürgern vergönnt sein solle,
über ihre inncrn Angelegenheiten zu spreche»; daß sie nicht an dem Austausch der
Ideen gehindert seien, der nothwendig ist, um die Gesetze näher zu prüfen, ihre
Anwendung einer Bcurthkilung zu unterwerfen, so wie die Wünsche des Volks und
seine etwaige Unzufriedenheit mit dieser oder jener Bestimniung an den Tag Zit
bringen. Die Regierung hat sich blos auf eine Instruktion beschränkt. Sie erschien,
als der gegenwärtige Herr Präsident des Ministerium des Innern seine Stelle an-
trat. Man hat sich darüber gefreut, als über ein Zeichen, daß die Regierung ge-
neigt sei, wenigstens Einiges von dem zu gewähren, was »ns von Gott und Rechts
wegen gebührt; leider aber hat man auch gesehen, daß diese Instruktion nicht be-
obachtet wird. Ich könnte, wenn ich auf Spezialitäten eingchen wollte, Artikel
autweiscn, die auf die einfachste und würdigste Weise die innern Angelegenheiten
besprechen, aber gleichwohl gestrichen wurden. Ich könnte Artikel aufweilen. welche
das Frankfurter Journal ausgenommen hat, das unter den Augen des Bundes er-
scheint und gewiß sorgfältig bewacht zu werden pflegt, welche Artikel aber unsere
Blätter nicht aufnehmcn durften. Man wird mir freilich dagegen einwenden, die
Zensoren seien verschiedener Ansicht; allein eben das ist das Schlimme, daß solche
Einrichtungen bestehen, wonach man der Willkühr preisgcgeben ist. Aus der neue-
sten Zeit kann ich beweisen, daß in der CarlSruher Zeitung Aeußerungen eines
Mitgliedes in dieser Kaammer aufgcnoimner worden sind, während sie in dem
Landtagsblatt gestrichen wurden. WaS entsteht hieraus und was kann hieraus ent-
stehen, wenn auf solche Weise die freie Gedankenmittheilung gehemmt wird? Glau-
ben sic wohl, daß durch solche Maßregeln das Vertrauen des Volkes zu der Regic-
gierung wachse? Halten Sie das Volk für so beschränkt, daß es nicht zur Besinnung
darüber gekommen sei, cs gebühre im das Recht, seine Gedanken frei ausznspre-
chen? — Man verweist UNS a»f den traurigen Weg des Rekurses; ich sage, den
traurigen Weg; denn das wird der Herr Regicrungskomniifsär selbst zugebcn,
daß eS nichts hilft, wenn für einen Aussatz, der in dem Augenblick gestrichen wird,
wo seine Veröffentlich»,ig nothwendig erscheint, die Druckerlaubnis nach mehreren
Wochen erfolgt. Ich gehe nunmehr zu den Äommssssonsanträgen über, und unter-
stütze sie beide; namentlich auch die Bitte, daß die Negierung bei dem Bund dahin
wirken möge, daß er endlich gewähre, waS unS die Bundcsaktc zuffchert, nämlich
Freiheit der Presse.
Bei der Gründlichkeit, womit der Antragsteller wie der Berichterstatter die
Sache behandelt haben; ferner im Hinblick auf die zahlreichen Verhandlungen, dir
hier über diesen Gegenstand schon stattfanden, sowie auf die Masse von Schriften,
die über diesen allerdings über diesen hochwichtigen Gegenstand erschienen sind, kann
ich mich kurz fassen. Ohnehin wird, wie ich nicht zweifle, die ganze Kammer nur
eine Gcsinnnng darü er beseelen, daß unS dre frei Presse gebühre. ES wird die-
selbe Gesinnung das Volk durchdrungen haben, wenigstens jeden Mann, der nur
einigermaßen Bildung besitzt und zu erkennen vermag, was dem Bürger gebührt.
Ich bin überzeugt, daß Jeder von uns und jeder Bürger cinsieht, wie das freie
Wort, seine Veröffentlichung durch die Presse das einzige Mittel-ist,, Licht und
Wahrheit zu verbreiten, und der Regierung selbst Kunde von den Wünschen des
Volkes zu geben, wie cs das einzige Mittel ist, um sie endlich klar zu machen
über Dasjenige, was das Volk denkt und welche Gesinnungen es hegt. Denn tch
nehme keinen Anstand, auszusprcchen, baß die Regierung darüber im Dunkeln ist,
weil sie eS sein will und sich die Möglichkeit entzieht, in die Gesinnungen Pech Vol-
kes und seine Ansichten über unsere Zustände einzudringen. Eben so 4>werläßig bin
 
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