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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 217
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https://doi.org/10.11588/diglit.32620#0884

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882

ich aber auch überzeugt -> und ich rede hier aus meinem Innersten heraus — daß
Jedermann erkennt, daß die Zensur eine verderbliche, unmoralische und verächtliche
Anstalt, daß sie die Mutter der Lüge, der Entstellung und des Mißtrauens ist,
welches sich in das Volk mischen muß. Es ist eine verderbliche Anstalt, welche die
Gedanken, die sich die Menschen mitheiien wollen, nicht bloö vernichtet, sondern
verunstaltet und verkümmert und ganz andere Gedanken Umstellt; sie ist unmora-
lisch/ denn sie zwingt die Menschen, die doH im Interesse der guten Sache etwas
sagen wollen, die Dinge so zu verdrehen, daß Entstellungen herauskommen müssen.
Die Negierung, die uns nur die Erklärung gegeben hat, sie wolle die Instruktion
fcsthaltcn, wird, wie ich glaube, fühlen, baß uns mit dieser Instruktion, die doch
nicht gehalten wird, keineswegs geholfen ist. Wir glauben, ein Gesetz fordern zu
dürfen, wenigstens über eine freie Besprechung der inneren Angelegenheiten. Die
Regierung wird sich überzeugen, daß es zu Stande kommen kann, und daß der Er-
folg ein wohlthätiger sein wird. Dabei erkläre ich aber wiederholt, daß ich auch
dem weitern Kommissionsantrag beitrcte, der dahin geht, die Bitte an die Negie-
rung zu stellen, sie möge bei dem Bund dahin wirken, daß die durch die Bundes«
Me zugesicherte Preßfreiheit uns werde. Ich hoffe, es werde auch der Bund, wenn
er auf die Ereignisse blickt, die in der Welt Vorgehen, von Maßregeln zurückkom-
men, die notbwendig gewesen sein mögen zu der Zeit, wo er sie erließ, wofür
aber setzt kein Anlaß mehr vorliegt. Ich hoffe daher, daß erreicht werden wird,
was mit uns Tausende und abermals Tausende wollen, daß der Bund nicht durch
starres Festbalten an Beschlüssen, die nur in einer bewegten, vorübcrgegangenen
Zeit hcrvorgerufen wurden, die Unzufriedenheit steigere. Ich möchte dieselbe nicht
auf den höchsten Punkt gesteigert wissen, indem man nicht gewiß ist, welch' unan-
Zenehmen Ausbruch eine auf den höchsten Punkt getriebene Unzufriedenheit zuletzt
nimmt. —
Welcher: Erwarten Sie nicht, daß ich eine der Größe und Wichtigkeit des
Gegenstandes angemessene Rede vortrage. Es würde mich hieran schon die von
meiner Krankheit zurückgebliebene Schwäche hindern. Wenn indessen der Herr Re«
gierungskommissär bemerkt, cs lasse sich über diesen Gegenstand nichts Neues mehr
sagen, so verweise ich ibn auf die vortreffliche Abhandlung deS hessischen geheimen
Staatsraths Janpve, welche kürzlich in dem Staatslerikon erschienen ist. Dort
wird er viel Neues finden. Uebcrbaupt mag sich doch noch manches praktisch Neue
sagen lassen von einer so naturwidrigen, allen Grundsätzen der Gerechtigkeit und
der Moral widersprechenden Einrichtung, wie die Zensur, die durch den öffentlichen
allgemeinen Unwillen getroffen wird. Jedenfalls verdient ein Punkt immer neu be-
trachtet zu werden, nämlich der Unterschied zwischen den etwaigen nachthciligen
Wirkungen der Preßfreiheit und den etwaigen nachtheilige» Wirkungen der Zensur.
Der Unterschied besteht darin, daß die Preßfreiheit mit allen ihren Nachtheilen of-
fen am Tage liegt; die Feinde des Rechts und der Wahrheit haben bei dem ge-
ringsten Mißbrauch die Gelegenheit, zu sagen: Sehet da einen Beleg für die Nach-
teile der Preßfreiheit. Anders verhält es sich mit der Zensur.
Diese waltet im Dunkeln, und deshalb gehört ein prüfender und aufmerksamer
Mik-dazu, ihre schädlichen Wirkungen richtig zu erkennen. Die deutsche Nation tst
zwar nicht außerordentlich heroisch, und findet Schwierigkeiten in ihren verhalt-
Men, die bei andern Völkern nicht bestehen; allein wenn fie die entsetzlichen Zer-
setzungen, Rcchtswidrigkeite» und Verderblichkeiten der Zensur eben so gut durch-
schauen könnte, wie wir, wenn fie alle Zcnsurstriche vor Augen hätte, ne wurde
einen allgemeinen Ekel und Unwillen gegen dieses bei uns bestehende Institut emp-
finden und laut äußern. Es herrscht aber auch in Beziehung auf die Preßfreiheit
und ihre angeblichen Nachtheile ein großes Mißverständniß, das man nicht ost ge-
nug widerlegen kann. Viele meinen nämlich, alles das Böse und Unangemessene,
was die Presse aussvricht, babe fie auch geschaffen. Dem ist nicht so.
ist nur der Ausdruck der Zustände, welche vorhanden sind, und es ist gut, daß es
durch die Presse zu Tag kömmt. In einem Nachbarstaate hat man dadurch die der
Gesellschaft, der Verfassung und der Regierung feindseligen Kräfte kennen lernen;
man konnte sich dagegen einigen und schlitzen. Dort find durch die freie Presse ed-
lere Gefühle in bürgerlicher, sittlicher und religiöser Hinsicht herrschend geworden und die
neue Dynastie verdankt die Festigkeit des Tbrones vor Allem der freien Messe.
Unter der Zensur dagegen waltet das Böse und da ich den Herrn Negierungskom-
missär als Ehrenmann achte, so muß ich glauben, daß es ihm selbst /'"Mel ist,
wie die Zensur bei uns gebandhabt wird; sonst könnte er nicht sagen, daß die Zen-
soren ihre Instruktion befolgen. Ich halte diese Instruktion keineswegs für befrie-
digend, denn sie spricht von Tendenzen und enthält Beschränkungen, von welchen
weder »iiser Prcßgesetz noch die Biindesbestimmungen etwas wissen; allein sic ent-
hält doch einige richtige Hauptgefichtspunkte. Aber gerade diese werden nicht befolgt
und deshalb beliebt ein Zustand willkührlicher Unterdrückung der Gedanken, vor
welchem man nm so mehr erschrickt, se tiefer man in das Einzelne cingeht. Ge-
rade in den schwierigsten Zeiten, wie bei dem unseligen Zwiespalt wegen der Ur-
laubsfrage und nach der Auflösung des letzten Landtages, wo es galt, hell zu se-
hen und die verfassungsmäßigen Rechte zu wahren, der Beamtenwillkübr zu steuern
und jede Verletzung zu rügen, — wird die Presse ganz unterdrückt und dem Zolle
die Waffe der Einsicht zur Vcrthcidigung seiner Rechte aus der Hand gewunden.
Sittenverderbcnde Romane bindert die Zensur nicht, auch nicht Schmähungen un
Berlämndungen; aber die Widerlegung hindert fie, wofür mir Fälle aus der neue-
sten Zeit bekannt sind Der Redner schließt mit folgender Betrachtung: Es grvr
nur noch sehr wenige Länder und gewiß kein freies Land, welches sich nicht der
Wohltbat einer freien Presse erfreut, dieser herrlichen Erfindung, die der deutsche
Geist schuf. Frankreich und England, Schweden und Norwegen, Belgien und Hol-
land. Portugal unb Spanien, da« neue Griechenland, die nvrd- und südaincrika-
nischen Staaten und selbst die vielen Millionen, die jenseits der Meere in den Ko-
lonien unter dem britischen Szepter leben, genießen dieses kostbare Gut.
_ ^(Fortsetzung k°lgt.)_ _
Tagsberichtl
Earlsrirhe. Der erledigte kath. Mialschuldienst zu Hgusern, Amts St.
Blasien, ,'stdem Schulcandidaten Conrad Mangold vonLiel, Amts Müll-
heim, bisherigen Schulverwalter zu Häusern, definitiv übertragen worden.
Stuttgart, 9. Sept. Seit einigen Tagen spricht man davon,

der Minister des Innern, der Kirche und des Schulwesens, pgg
Schlapcr, habe seine Entlassung nachgesucht, weil seine Ansichten über
die Ausübung der Staatsaufsicht gegenüber der katholischen Kirche der
höchsten Zustimmung sich nicht mehr erfreuten. Es ist deshalb unge-
mein großes Gerede im Publikum und die nächste Zukunft schon muß
lehren, was daran ist. Ein streng katholisches Mitglied der Rüterschzf,
in der Abgeordnetenkammer soll den jetzigen Direcior des kaiholisch^
Kirchenraths ersetzen, Obcrkirchenrath v. Schcdler, der großen Einfluß
auf genanntes Collegium übte, pensionirt werden, und der neue Direc»
rvr gemeinschaftlich mit einem Mitgliede des Domcapitels und mit Zu»
Ziehung eines MinisterialrathS, oder unter dem Präsidium des zu er-
nennenden neuen Ministers die Befugnisse des katholischen Kirchenraths
und des BiSthums ergeben.
Cöln, 10. Sept. Heute Abends gegen 5 Uhr traf Se. Mas- der
König ver Niederlande mit hohem Gefolge hier ein und setzte nach kur-
zem Verweilen die Reise nach Brühl kort.
Neucnburg. Es heißt, Hr. Guizvt werde eine Erholungsreise
nach Genf machen, gerade zur Zeit, da der König von Preußen «
Neuenburg sein wird.
Paris, 9. Septbr. Die Königin Erregentin von Spanien, Ma«
rie Christine, kommt jeden Tag nach Paris, um die Verschönerungs-
Arbeiten, die sie unablässig in ihrem Hotel auf der Rue de Coureelles
ausführen läßt, in Augenschein zu nehmen.
— Den 10. Sept. Der König arbeitet zu Eu täglich mehrere
Stunden mit den. Ministern, die sich auf Besuch in dem Schlosse be-
finden; die Eisenbahnfrage bildet in diesem Augenblick den Hauptge-
genstaud der Konferenzen. Man versichert, es sei stark davon die Rede
gewesen, bei der bevorstehenden Pairsernennung eine Bank geistli-
cher Pairs zu bilden; der Plan soll aber im Cabinet starken Wider-
stand gefunden haben und auf günstigere Zeit ausgesetzt worden s"ff-
Man hört heute, der Prinz von Zoinville werde, bevor er die Nerze
nach Toulon antritt, auf acht Tage nach dem Schlosse Eu 8/0?"-
— Auü Dourges wird unterm S. Sept. gemeldet, daß DSU Car-
los und seine Gemahlin in Begleitung des ältesten Prinzen am 3. von
Bourgeü aus eine Landpartie unternehmen wollten und zwar bloß
zwei Stunden von. der Stadt. Der Prinz war zu Pferde. Die Gen-
darmen und Polizeiagenten schritten aber gegen die „Lustreise" ein und
ließen fie nicht sortsetzen. Es konnten jedoch die hohen Reisenden sich
im nächsten Wäldchen ergehen und Erfrischungen zu sich nehmen.
— Das „Siecke" und das „Journal des Debüts" besprechen henke
die deutschen Eisenbahnen, welche, sagt cs, ganz anders svrischritten,
als die französischen.
— Es ist jetzt erlaubt, in Spanien Wörterbücher in fremden Spra-
chen einzuführen; in Frankreich war dies immer der Fall, aber leider
ohne Nutzen. Von der spanischen Regierung wird jetzt überhaupt Al-
les angewendet, um das Versäumte nachzuholen.
— Die Arbeiten an der Befestigung von Paris werden für dieses
Jahr bald eingestellt werden, weil der für dieses Jahr b> willigte Kre-
dit bereits erschöpft sein ssoll. Man ist überzeugt, daß der Winter
dieses Jahr an den bereits hergcstellten Befestigungen keinen Schaden
anrichten kann.
London, 6. Sept. Die Eintreibung der Einkommensteuer stößt
überall auf große Schwierigkeit, da die wenigsten Personen ihre Ein-
nahmen richtig angeben und die Commissäre, wenn sie ge„en die Rich-
tigkeit der Angaben wohlbegründete Zweifel erheben, meistens außer
Stande sind, die Unrichtigkeit nachzuwersen. Die Streitigkeiten über
diesen Punkt haben schon zu vielen ärgerlichen Auftritten geführt.
— Die Königin und der Prinz Albert haben sich am 6. Sept. um
11 Uhr Vormittags an Bord des Dampsboots Queen Margaret
eingeschiffr, um die Resse nach den Hochlanden anzutreten. In Ihrer
Majestät Begleitung befinden sich; Lord Aberdeen, Sir Robert Peel,
Lord Liverpool und viele andere angesehene Personen. Die Königin
wird eine Woche in den Hochlanden bleiben, dann nach Edinburgh zu-
rückkommen und noch fünf Tage im Dalkeiih-Palast verweilen.
Triest, l- Sept. Wenn der Sommer sich in Triest stets durch
eine andauernde Hitze charakteristrt, so war dicß Heuer um so mehr der
Fall, als es seit Mitte Juni fast nie geregnet hat und der Thermome»
tcrstand beinahe ununterbrochen zwischen 22 bis 23" R. im Schatten
geblieben ist. Die Felder in der Umgegend haben dadurch ungemein
gelitten und bieten einen trüben Anblick. Das Laub fällt wie im Spät-
herbste von den Bäumen, alle Pflanzen verdorren, über 300 Brunnen
geben kein Wasser,
 
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