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Mansberg, Richard von [Hrsg.]; Hohneck, G. [Ill.]; Grammann, Carl [Ill.]
Der mittelalterliche Turnierzug zur 800 jährigen Jubelfeier des erlauchten Hauses Wettin: Darstellung der Theilnehmer in farbigem Lichtdruck nebst erläuternden-historischen Nachweisen — Dresden, 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.16638#0008
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DIE MARK MEISSEN.

itas Gebiet der eigentlichen Mark bestand nur aus den

^ii^Srs^iit beiden Gauen Talemenze und Nisani, altsorbischen
<§§|§?*§§p Provinzen. Wenngleich die östlich benachbarte Provinz

Milska seit ihrer Eroberung durch Markgraf Eckard eine
|i Zeitlang der Botmässigkeit der Markgrafen unterstellt

blieb, so wurde sie dieser doch Mitte des zwölften Jahr-
hunderts dauernd entzogen, und ihre Geschichte hat seitdem einen
von der meissnischen sehr verschiedenen Verlauf genommen. Allerdings
ist ein nicht unerheblicher Teil im Südwesten des alten Milzenenlandes
als Besitztum des Hochstiftes Meissen bald auch mit der Mark enger
verknüpft, so zwar, dass man ihn als einen zum „Meissnischen" gehö-
renden Teil betrachtete, obwohl hier der Bischof Landesherr war, nicht
der Markgraf. Überdies ist gegen Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts
wieder ein Stück im Südwesten des gedachten Landes (Hohenstein,
Wildenstein) durch Kauf und Tausch an die Markgrafen gelangt; es
hat also die Mark schliesslich im Südosten in nicht geringem Masse sich
vergrössert. Die Ausdehnung nach Westen kann als noch umfangreicher
bezeichnet werden, indess werden wir sie erst an anderer Stelle ins Auge
fassen müssen. Vorderhand muss der eigentliche ursprüngliche Bestand
der Mark unser ganzes Interesse in Anspruch nehmen, schon um die
eigentümlichen Verhältnisse scharf unterscheiden zu können von jenen
in bereits früher eroberten und germanisirten Ländern oder gar von
jenen im eigentlichen deutschen Hinterlande (Thüringen u. s. w.).

Die Mark war auf durchaus neu gewonnenem, den Slaven entris-
senem Grunde augelegt, und dieser Grund und Boden gehörte dem Könige,
der ihn zur Besoldung den mit der Verteidigung dieses Gränzlandes be-
trauten Kriegsmannen, zur Ausstattung der mit der Heidenbekehrung
und Seelsorge betrauten Geistlichkeit anwies. Nirgends kann hier von
einem sogenannten dynastischen Adel die Rede sein, denn es gab hier
kein altes Erb und Eigen, auf welchem ein völlig freier, keinem Herrn
zu Dienst und Pflicht verbundener Adel gesessen hätte. Der König,
durch die Hand des Markgrafen, verfügte über die Substanz des Landes,
entweder unmittelbar oder durch besondere Privilegien, manchmal nur
nachträgliches Gutheissen markgräflicher Verfügung. Allein, bei den
langwährenden Tronstreitigkeiten um die Wende des zwölfte]] und drei-
zehnten Jahrhunderts, bei der dann folgenden, eigentlich ständigen Ab-
wesenheit Kaiser Friedrichs II. und noch mehr während des Interregnums
wurden die deutschen Fürsten gezwungen, die scheinbar vacant gewordenen
Rechte des Reichsoberhauptes an sich zu nehmen. Es machte sich ganz
von selbst die Auffassung geltend, dass sie die ehemals nur im Namen
des Königs verwalteten Länder zu vollem Eigen (pleno jure et dominio)
besässen; die Amtshoheit war in Lehnshoheit übergegangen, und diese
wurde mit wirklicher Landeshoheit mehr und mehr verquickt. Es wurde
über Teile des Reichslehens wie über freies Eigen verfügt, seitdem der
Landesherr sich als Rechtsnachfolger des deutschen Königs betrachten
musste, sowohl im selbsteigenen, wie in dem Interesse des von ihm zu
ordnenden und zu schützenden Landes, gab doch der Landfrieden des
Königs Rudolf 1287 den Fürsten die Befugniss und Verpflichtung, den
Landfrieden sachgemäss zu ergänzen und zu befestigen.

Als unmittelbar vom König oder Reich Beliehene erscheinen im
dreizehnten Jahrhundert in der Mark lediglich noch der Markgraf selbst,
der Bischof und in jedem der beiden Gaue ein Reichsburggraf; jeder
andere Edle war Lehnsträger eines der Genannten, oft von mehreren
derselben gleichzeitig. Allerdings gab es in Gemässheit königlicher
Schenkungen noch andere und zwar auswärtige Lehnsherren in der
Mark, nämlich für ein ansehnliches Gebiet im Südwesten zwischen
Zschopau, Flöha, Strigis und Mulde die Abtei Hersfeld als Nachfolger des
schon durch die Gnade der Ottonen ausgezeichneten Klosters Memleben,
für einen breiten Gebietsstreifen im Norden das Bistum Naumburg in
Gemässheit der Begabungen durch König Heinrich IV. Wie es später
den böhmischen Umtrieben gelang, an vielen Punkten lehnsherrliche An-
sprüche zu gewinnen, ist zwar sehr wichtig für das Verständniss der
Meissnischen Landesgeschichte, darf uns aber hier nicht aufhalten, es
mag der Hinweis darauf genügen, dass das Hochstift Naumburg im
vierzehnten Jahrhundert einen grossen Teil seiner lehnsherrlichen Rechte
verkaufte. Dasselbe Hochstift hat jedoch noch anderweite Übertragung
seines Lehnsobereigentums für gut befunden und damit Afterlehns-
herren, wie z. B. die Burggrafen von Leisnig in der Oschatzer Gegend,
geschaffen.

Von einem in der Marie einheimischen Adel kann nur insofern
die Rede sein, als man darunter jene Geschlechter versteht, welche ihren
erblich gewordenen Namen von einem in der Mark gewählten Sitze ent-
lehnt haben. Solches ist im Allgemeinen viel später geschehen, als man
gewöhnlich anzunehmen geneigt ist, viele Familien erscheinen erst im
vierzehnten Jahrhundert mit dem Namen, den sie dann für immer bei-
behalten haben. Ziemlich deutlich treten zwei Zeitpunkte hervor, welche
die Einwanderung deutscher Edelleute, vorzugsweise aus dem schon länger
germanisirten Lande zwischen Saale und Mulde, begünstigt haben müssen.
Das erste Mal war es, als der Graf Dietrich von Weissenfeis in das lange
ihm vorenthaltene Erbe seiner Väter einzog, welches durch den Bruderkrieg
und den noch wüsteren Kampf mit den schlimmen czechischen Nachbarn
verödet lag. In den bis dahin unmittelbar von ihm verwalteten Gauen
an der Saale hat der Markgraf Adel und Volk veranlasst, die herrenlos
und menschenleer gewordenen Stätten von Neuem in Besitz zu nehmen;
manches schon um die Wende des zwölften und dreizehnten Jahrhunderts
urkundlich erscheinende Geschlecht dürfte bei dieser Gelegenheit in die
Mark gedrungen sein. Die zweite, vielleicht noch triftigere Veranlassung
zum Heranziehen frischer Kräfte und germanischen Bluts gab die Ent-
völkerung des Landes in der traurigen Zeit von 1291 bis 1307. Markgraf
Friedrich der Freidige, der Wiederhersteller oder ganz neue Gründer der
Wettin'schen Staaten hat nicht gesäumt, das nach langem Kampfe Wie-
dergewonnene auch wieder nutzbar zu machen. Die Sicherung der überaus
wichtigen Gränzprovinz und die culturelle Mission der Deutschen im
Osten haben die auf seine Veranlassung eingewanderten Schaaren deut-
scher Ritter, Bürger und Bauern, mit frischen Kräften in die Hand
genommen; besonders gilt dieses von den oberen gebirgigen, lange noch
mit undurchdringlichem Walde bedeckten Teilen des Landes, deren be-
glaubigte Geschichte erst mit dem vierzehnten Jahrhundert beginnt.

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