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Mansberg, Richard von [Hrsg.]; Hohneck, G. [Ill.]; Grammann, Carl [Ill.]
Der mittelalterliche Turnierzug zur 800 jährigen Jubelfeier des erlauchten Hauses Wettin: Darstellung der Theilnehmer in farbigem Lichtdruck nebst erläuternden-historischen Nachweisen — Dresden, 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.16638#0046
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Das Osterland.

Die Ausdehnung des mit obigem Namen bezeichneten Landstrichs
war anfänglich eine keineswegs scharf begränzte, später wurde
der Begriff dessen, was man unter dieser Benennung zusammenfasste,
ein vieldeutiger, je nach dem Zeitpunkte und dem Landesteile, den man
gerade ins Auge fasst, derartig, dass zur möglichsten Klarstellung dieses
Begriffes weit auszuholen ist, weiter, als Manchem vielleicht für den un-
mittelbar hier vorliegenden Zweck erforderlich scheinen mag. Zuvörderst
haben wir einen prüfenden Blick auf die alte ostfränkisch-thüringische
Mark, den limes Sorabicus, zu werfen, denn gerade in diesem Punkte,
dem Ausgangspunkte aller weiteren Entwicklung, begegnet man vielfach
so verworrenen Ansichten und Darstellungen, dass es wohl einer Beleuch-
tung des allmähligen Entstehens und Vergehens und neuen Werdens bedarf.

Seitdem die germanischen Völker des Ostens dem Andränge
slavischer Massen zu weichen begannen, seitdem wurde dieser Andrang
ein sich stetig verstärkender, nahm eine Ausdehnung, welche das Slaven-
tum bis in das Herz des alten Germaniens führte, als das Königreich
der Thüringer unter den Schlägen der Franken und Sachsen
zusammengebrochen war. Dieses Hereinfiuten der slavischen Stämme
ist namentlich in Mitteldeutschland viel weiter nach Westen gerückt,
als gewöhnlich angenommen wird; man darf z. B. Arnstadt und Erfurt
seinerzeit als die östlichsten festen Punkte des Deutschtums in Thü-
ringen bezeichnen. Dieser Andrang zwang endlich die fränkisch-deutschen
Könige im achten Jahrhundert zu der schon von den Körnern beob-
achteten Massnahme, die Gränze durch Eroberungen auf Grund und
Boden der andringenden Feinde selbst zu sichern. Demgemäss ward
wieder mit aller Energie ein Gebietsstreifen dem feindlichen Nachbar
entrissen, mit hinreichenden Wehren oder umwallten Sammelplätzen
versehen und in einer militärisch zu nennenden Organisation durch
Krieger besetzt. Eine solche an der äussersten politischen Gränze des
Reiches errichtete Schutzwehr hiess marc, marcbia; ihr Vorsteher oder
Verwalter wurde zum Gränzwart mit überwiegend kriegerischer Be-
deutung, dessen Amt und Gewalt naturgemäss sehr wichtig für die
Sicherheit des von ihm bewachten und behüteten Reiches.

Erst unter dem grossen Karl erscheint die deutsche Stammes-
und Reichsgränze an derjenigen Scheidelinie, die man im Mittelalter
gewöhnlich als solche bezeichnete, nämlich in Mittel- und Norddcutsch-
land vom Fichtelgebirge längs der fränkischen Saale laufend, alsdann
schied die thüringische Saale in ihrer ganzen Länge bis zum Einlluss
in die Elbe, hierauf dieser Strom bis zur Mündung der Steckniz (in
Holstein) schliesslich dieser letztgenannte Fluss in seinem Laufe. Karl
selbst hat trotz der wiederholt ihm aufgezwungenen Slavenkriege die
Reichsgränze nicht über die bezeichnete Scheide erweitert, hat aber durch
seine Markordnung im Jahre 805 die Verteidigung auf der ganzen
Linie vom adriatischen Meere bis zur Eider vollkommener organisirt.
In seinem bezüglichen Capitulare ist für uns hier von Bedeutung die
Stelle: ad Sdjejla (Altenzelle am Ohren uss nördlich Magdeburg), ubi
Madalgaudus provideat, et ad (Erposfurt praevideat Madalgaudus, et ad
f>ala3ftat (Hallstadt bei Bamberg) praevideat item Madalgaudus.

Um nämlich jederzeit schnell eine stärkere Kriegsmacht zu-
sammenbringen zu können, wurden mehrere der östlichen Reichsgaue
zu einer Art von Militärbezirk verbunden; die Grafen dieser Gaue ver-
walteten zwar ihren Comitat unabhängig von einander, aber ihre auf-
gebotene Mannschaft wurde einem dieser Grafen zum Zwecke einheit-
licher Verteidigung untergeordnet. Dieser Letztere wird vorwiegend als
dux oder marchio bezeichnet, und seine Markgrafschaft bildeten sämmt-
liche ihm militärisch untergebenen Gaue. In dem genannten 2TCabakjaub
tritt uns mithin ein solcher Markgraf entgegen und zwar derjenige, der

die Ostgränze des öucattlS O^orincutbae cum marchis suis (839, Ann.
Fuld.) zu überwachen und dort zu befehligen beauftragt war. Das alte
Thüringen aber erstreckte sich vom Nordrande des Harzes, vom rechten
Ufer der Ocker und Ohre im Norden, gen Süden bis zu der sog. Ost-
heimer Steige, zu dem Quellenrücken der Aisch, Zenn, Bibert, Rezat,
Altmühl, Wörniz; und, soweit eine Volkschaft an der Gränze sich er-
streckte, soweit reichte der Gränzbezirk oder die Mark, deren Ver-
teidigung der Volkschaft oblag, die deshalb auch unter einer einheitlich
markgräflichen Leitung stand. Wenn in dem erwähnten Capitulare
Karl's ^oracfyetm (Forchheim) noch der baierischen Markgrafschaft des
Nordgaues und dem Gränzgrafen Zlllbulf zugeteilt wird, so tritt doch
alsbald nach Karl's Tode während der ganzen folgenden Zeit Forchheini
als südlicher Stützpunkt noch der ostfränkisch-thüringischen Mark hervor,
während das im selben Capitulare ebenfalls erwähnte 23reemb<?l*ga (Prim-
berg bei Burglengenfeld) als nördlicher Stützpunkt der baierischen Gränz-
verteidigung verblieb. Jene ostfränkisch-thüringische Mark erscheint
seit dem Jahre 849 unter dem Namen limes Sorabicus, und das ost-
wärts der Saale liegende Wendland wurde nach dem dasselbe bewohnenden
Hauptstamme SttWrbelcmt (Srbsko) genannt, welch letzterer Name all-
mählig verdrängt wurde durch plaga oder provincia orientalis, terra
orientalis oder Osterland, in seinem südlichsten Teile an der Eger
häutig mit dem allgemeineren Namen regio Slavorum, Slavia bezeichnet.
In Bezug auf letzteren muss hinzugefügt werden, dass im neunten Jahr-
hundert nicht selten auch unter dem unbestimmten Ausdruck Boemia,
Boliemi die nördlich der Donau gelegenen, noch nicht unterworfenen
slavischen Nachbarn begriffen wurden. Ausdehnung und Begriff der
ostfränkisch-thüringischen Mark, wie der des Osterlandes sollten sehr
bald wesentliche Änderungen erleiden.

Zunächst ist wohl im Norden eine Beschränkung des thüringischen
Gränzgebietes eingetreten. Die ursprünglich thüringische Bevölkerung
des betreffenden Landstrichs war stark mit anderen Elementen durch-
setzt, abgesehen von den Nordschwaben im Gau Sucüon, sehr stark
mit frühzeitig schon eingedrungenen Sachsen, derart, dass der Namen
eines sächsischen Thüringens für das Land nördlich der Unstrut und
Helme gerechtfertigt erscheint; ja, im Laufe der Karolingerzeit verliert
sich hier der thüringische Namen fast gänzlich, und nur der Name des
nördlichsten Gaues, eben Horhrringa oder Hortliurincjia, erinnert auch
später noch an die ehemalige Zugehörigkeit. Der thüringische Namen
blieb auf das südlich der Unstrut gelegene Reichsland und das östlich
davon gelegene Markland, Osterland, beschränkt, um auch von letzterem
bald verdrängt zu werden. Allerdings war der bereits stark entfremdete
nordthüringische Landstrich zu weit vom südlichen Hauptsitz der Gränz-
grafen (in Regnizland) entfernt, als dass dieselben stets persönlich hätten
zur Hand sein können; das war aber auch um so weniger notwendig,
als in den Gauen nördlich der Unstrut die Deutschen nicht nur am
dichtesten und weitesten gen Osten sassen, sondern viele stark geschützte
Grenzvesten bezw. königliche Pfalzen dort bestanden. Lernen wir schon
in dem angezogenen Capitulare vom Jahre 805 einen besonderen (Burg)
Grafen zu BTagaboburg, Namens 2HtO, kennen, Avelchem persönlich der
Schlüssel zu dem nordöstlichen Slavenlande anvertrauet war, so treten
später die Burggrafen der Gränzveste Merseburg noch stärker hervor,
ja, zum grossen Teil ward das sächsiche Thüringen Sitz und Zubehör
des Pfalzgraftums Sachsen, welchem Aufsicht und Bewahrung der
Königlichen Pfalzen zu Grona, Werla, Walhausen, Allstedt, Merseburg,
anvertraut waren. Seitdem die Königswürde an die sächsischen Her-
zoge eediehen, wurde alles Land nördlich der Unstrut und Helme als
Y durchaus sächsisches angesehen.
 
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