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Martin, Rudolf
Lehrbuch der Anthropologie in systematischer Darstellung: mit besonderer Berücksichtigung der anthropologischen Methoden ; für Studierende, Ärzte und Forschungsreisende ; mit 460 Abbildungen im Text, 3 Tafeln und 2 Beobachtungsblättern — Jena, 1914

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.37612#0749
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E. Gehirnschädel als Ganzes.

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im ersteren Falle werden die Schädel niedrig, im zweiten extrem do-
li chokephal. Vielfach entstehen auch Risse, die senkrecht zu einer
größeren Naht gerichtet zu sein pflegen.
Auch eine andere Veränderung des Schädels, die Trepanation,
verdient ihrer weiten Verbreitung wegen kurze Erwähnung. Sie besteht
in der Entfernung eines kleineren oder größeren Knochenstückes aus
dem Schädeldach und kann intra vitam oder post mortem ausgeführt
werden. Eine Indikation zur Vornahme der Trepanation intra vitam
besteht bei Schädelverletzungen oder intrakranialen Tumoren. Bei
verschiedenen Völkern werden aber auch neben Kopfverletzungen
Geisteskrankheiten, Epilepsie, Besessenheit, Neuralgien und Kopf-
schmerzen durch Trepanation oder Oeffnung der Schädelhöhle zu heilen


Fig. 283. Trepanierter Schädel aus einem Grabfeld bei Münsingen (Schweiz).
% nat. Gr.
versucht. Die künstlich angelegten Oeffnungen können sich durch
Wucherung der Knochensubstanz wieder teilweise oder ganz schließen.
Bekannt ist die Trepanation von den Guanchen auf den kanarischen
Inseln, den Berbern vom Djebel Aures, den Serben, von Tahiti, Neu-
britannien, Neumecklenburg und Neupommern.
Häufig sind trepanierte Schädel außerdem in neolithischen Gräbern
und Dolmen Europas, sowie in alten präkolumbischen Grabstätten
Perus (MruNiz) und Nordamerikas, doch geht aus der Beschaffenheit
der Knochenränder der Trepanationsöffnung hervor, daß es sich hier
häufig auch um eine postvitale Trepanation handelt, die vermutlich
aus irgendwelchen religiösen Vorstellungen im Sinne eines Schädel-
kultes oder zur Gewinnung von Amuletten vorgenommen wurde. Daß
 
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