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Kraniologie.
mit Steinmessern wirklich Trepanationen ausgeführt werden können,
ist wiederholt gezeigt worden; auch die heutigen Naturvölker bedienen
sich zur Vornahme der Operation scharfer Muscheln, Obsidiansplitter
und ähnlicher Geräte.
In die Kategorie der künstlichen, vermutlich ebenfalls zu Heil-
zwecken vorgenommenen Eingriffen gehört auch das Ausschaben, Aus-
ätzen oder Ausbrennen der Schädeldecke meist in Form einer mehr
oder weniger tiefen T-förmigen Rinne, die sich an Sagittal- und Ooro-
nalnaht anschließt. Diese Deformation ist daher als eine Kauteri-
sationsnarbe aufzufassen und wurde als „T sincipital" (MANOuvuiER)
bezeichnet. Sie ist am häufigsten in neolithischen europäischen Grä-
bern, an Schädeln der kanarischen Inseln (in 10 Proz. nach v. LuscHAN)
und auf Florida gefunden worden.
Nicht zu verwechseln mit Trepanationen sind Schädelverletzungen,
die besonders durch mittelalterliche Nahkampfwaffen verursacht
wurden (BiRCHER), oder jene Oeffnungen, die der Axt des Ausgräbers
ihre Entstehung verdanken. Die letzteren sind an der Frische der
Bruchränder allerdings meist leicht kenntlich.
F. Die einzeinen Knochen und Abschnitte des Gehirnschädeis.
Neben der allgemeinen Form des Gehirnschädels verdienen die
einzelnen, ihn zusammensetzenden Knochen eine eingehende Betrach-
tung. Sie bieten zahlreiche Variationen dar, die teils ein rein anthro-
pologisches, teils ein phylogenetisches Interesse beanspruchen. Im
folgenden können nur die wichtigsten derselben besprochen werden,
hauptsächlich diejenigen, die für die Rassendiagnose verwendbar er-
scheinen, und solche, die direkt auf niedere Zustände zurückgeführt
werden können ^).
I. Das Hinterhauptsbein.
Die Schuppe des Hinterhauptsbeines stellt beim Menschen nach
der Geburt als Regel einen einheitlichen Knochen dar, obwohl sie
sich entwicklungsgeschichtlich aus einer unteren Hälfte, dem knorpelig
präformierten Occipitale superius oder der Unterschuppe, und einer
einheitlichen oberen Hälfte, dem häutig vorgebildeten Interparietale
oder der Oberschuppe zusammensetzt. Von dieser Regel gibt es aber
zahlreiche Ausnahmen. So kann die Oberschuppe an ihrer oberen
Grenze, der Lambdanaht, in eine Reihe größerer oder kleinerer
Knocheninseln aufgelöst sein, die jedoch nur als überzählige Naht-
1) Bezüglich alter übrigen zahllosen Variationen, die an den Knochen des
Gehirnschädels beschrieben sind nnd die hier nicht behandelt werden können, vgl.
besonders LE DOUBLE, Traite des variations des os du cräne de l'homme, Paris
1903; ferner Traite des variations des os de la face, Paris 1906, Annexe S. 410; und
Traite des variations de la Golonne vertebrale, Paris 1912, Annexe 8. 439.
Kraniologie.
mit Steinmessern wirklich Trepanationen ausgeführt werden können,
ist wiederholt gezeigt worden; auch die heutigen Naturvölker bedienen
sich zur Vornahme der Operation scharfer Muscheln, Obsidiansplitter
und ähnlicher Geräte.
In die Kategorie der künstlichen, vermutlich ebenfalls zu Heil-
zwecken vorgenommenen Eingriffen gehört auch das Ausschaben, Aus-
ätzen oder Ausbrennen der Schädeldecke meist in Form einer mehr
oder weniger tiefen T-förmigen Rinne, die sich an Sagittal- und Ooro-
nalnaht anschließt. Diese Deformation ist daher als eine Kauteri-
sationsnarbe aufzufassen und wurde als „T sincipital" (MANOuvuiER)
bezeichnet. Sie ist am häufigsten in neolithischen europäischen Grä-
bern, an Schädeln der kanarischen Inseln (in 10 Proz. nach v. LuscHAN)
und auf Florida gefunden worden.
Nicht zu verwechseln mit Trepanationen sind Schädelverletzungen,
die besonders durch mittelalterliche Nahkampfwaffen verursacht
wurden (BiRCHER), oder jene Oeffnungen, die der Axt des Ausgräbers
ihre Entstehung verdanken. Die letzteren sind an der Frische der
Bruchränder allerdings meist leicht kenntlich.
F. Die einzeinen Knochen und Abschnitte des Gehirnschädeis.
Neben der allgemeinen Form des Gehirnschädels verdienen die
einzelnen, ihn zusammensetzenden Knochen eine eingehende Betrach-
tung. Sie bieten zahlreiche Variationen dar, die teils ein rein anthro-
pologisches, teils ein phylogenetisches Interesse beanspruchen. Im
folgenden können nur die wichtigsten derselben besprochen werden,
hauptsächlich diejenigen, die für die Rassendiagnose verwendbar er-
scheinen, und solche, die direkt auf niedere Zustände zurückgeführt
werden können ^).
I. Das Hinterhauptsbein.
Die Schuppe des Hinterhauptsbeines stellt beim Menschen nach
der Geburt als Regel einen einheitlichen Knochen dar, obwohl sie
sich entwicklungsgeschichtlich aus einer unteren Hälfte, dem knorpelig
präformierten Occipitale superius oder der Unterschuppe, und einer
einheitlichen oberen Hälfte, dem häutig vorgebildeten Interparietale
oder der Oberschuppe zusammensetzt. Von dieser Regel gibt es aber
zahlreiche Ausnahmen. So kann die Oberschuppe an ihrer oberen
Grenze, der Lambdanaht, in eine Reihe größerer oder kleinerer
Knocheninseln aufgelöst sein, die jedoch nur als überzählige Naht-
1) Bezüglich alter übrigen zahllosen Variationen, die an den Knochen des
Gehirnschädels beschrieben sind nnd die hier nicht behandelt werden können, vgl.
besonders LE DOUBLE, Traite des variations des os du cräne de l'homme, Paris
1903; ferner Traite des variations des os de la face, Paris 1906, Annexe S. 410; und
Traite des variations de la Golonne vertebrale, Paris 1912, Annexe 8. 439.