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Martin, Rudolf
Lehrbuch der Anthropologie in systematischer Darstellung: mit besonderer Berücksichtigung der anthropologischen Methoden ; für Studierende, Ärzte und Forschungsreisende ; mit 460 Abbildungen im Text, 3 Tafeln und 2 Beobachtungsblättern — Jena, 1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.37612#0997
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D. Extremitätenskelet.

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duelle Variationen aufzufassen und gelegentlich in verschiedenen
menschlichen Gruppen zur Beobachtung gelangt.
Starke Form Verschiedenheiten zeigt vor allem die erste Rippe,
die entweder ganz gleichmäßig halbkreisförmig gebogen oder an ein
oder zwei Stellen winkelig abgeknickt sein kann. Ein Tuberculum
scaleni ist in 70 Proz. deutlich ausgeprägt. Die individuellen Längen-
differenzen sind am größten an der 11. und 12. Rippe; die erstere
mißt im Mittel 115-155 mm, die letztere 6—56 mm (ADOLPHi). Ueber
die Breite der Rippen in verschiedenem Niveau vergleiche man die
genaue Tabelle bei ANDERSON (1884), die die Mittelwerte aus einer Serie
von 35 Brustkörben enthält.
Bei den kleinwüchsigen Senoi kann die Rippendicke, in der Mitte
des Rippenkörpers gemessen, bis auf 2,5 mm heruntergehen, gegenüber
einem europäischen Minimum von 5 mm und einem Mittel von 9 mm,
so daß solche Rippen mit ihren scharfen kaudalen und kranialen Kanten
wie gekrümmte Messer aussehen. Genau das Umgekehrte findet bei
Homo Neandertalensis statt (Fig. 411), dessen Rippen weniger abgeplattet
und daher besonders auch im Verhältnis zur Höhe viel dicker sind als
diejenigen des rezenten Menschen, so daß sie auf dem Querschnitt fast
dreiseitig erscheinen. Diese Konfiguration spricht für eine sehr
kräftige Entwicklung der Interkostalmuskulatur.
Auf pathologische oder mechanische Ursachen zurückzuführende
Veränderungen hat HRDLICKA sehr häufig an den Rippen von Anglo-
Amerikanern gefunden, während solche Deformationen bei Indianern
vollständig fehlen.

D. Extremitätenskelet.
I. Schultergürtel.
Die Umbildung der vorderen Extremität des Menschen zum voll-
kommenen Greiforgan hat auch dem Schultergürtel der Hominiden
sein spezifisches Gepräge gegeben. Die außerordentliche Bewegungs-
freiheit, die dieser Extremität eignet, beeinflußt aber nicht nur die
Art der Anheftung des Schultergürtels am Skelet des Körperstammes,
sondern modifiziert auch die Muskulatur, die ihrerseits wieder form-
gestaltend auf die Skeletteile einwirken mußte.
1. Schutterbtatt.
Am deutlichsten sind diese Umgestaltungen am Schulterblatt
des Menschen, das sich durch eine Reihe charakteristischer Merkmale,
seine breite und flache Form, das Größenverhältnis der beiden Spinal-
gruben und die Richtung der Spina von demjenigen der andern Pri-
maten unterscheidet. Alle diese Form Verhältnisse lassen sich auch
zahlenmäßig (Tabelle S. 976) festlegen.
Die geringsten Unterschiede weist der Scapular-Index auf,
d. h. das Verhältnis der Morphologischen Breite zur Morphologischen
Länge ist beim Menschen und den Anthropomorphen annähernd das-
selbe. Bei den niederen Affen allerdings ist der Index im allgemeinen
viel größer (Cebus 118, Cercopithecidae 110 — 144), weil bei diesen,
 
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