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Matz, Friedrich
Die Naturpersonifikationen in der griechischen Kunst — Göttingen: Druck der Dieterich'schen Univ.-Buchdruckerei W.Fr. Kaestner, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.51056#0009
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pictoribus atque poetis quidlibet
audendi semper fuit aequa potestas.
Die Art der Apperzeption, die man als die personifizierende
zu bezeichnen pflegt, besteht darin, daß das apperzipierte Objekt
durch die eigene Natur des wahrnehmenden Subjekts bestimmt
wird1), d. h. Personifikation ist in Ansehung des Objekts Beseelung
des Unbeseelten, in Ansehung des Subjekts Hineintragen des Ich
in ein Nicht-Ich2 3). Sie ist also eine Äußerung der schöpferischen
Phantasie, die ihrerseits sich im religiösen Glauben, in der Dich-
tung — literarischer und nichtliterarischer — und in der Kunst
äußert. Weil nun diese im Gegensatz zu Religion und Dichtung,
die sich zur Mitteilung des schildernden Wortes bedienen, auf
die körperlich-sinnliche Darstellung angewiesen ist, die Beseelung
also nur vermittels ihres körperlichen Korrelats auszudrücken
vermag, so kann man die Personifikation in der Kunst auch als
die Darstellung eines unbeseelten unter dem Bilde eines beseelten
Objekts definieren. In diesem weitesten Sinne gehören auch die
Darstellungen von Begriffen in tierischer Gestalt hierher, wie
z. B. der Flußstier, der Seelenschmetterling4) u. s. w. Doch stehen
diese Dinge inhaltlich bereits auf der Grenze zum Gebiet des un-
beseelten Symbols, schon deshalb, weil für uns von der Menschen-
seele eine viel intensivere Wirkung ausgeht als von der eines
Tieres. Dem herrschenden Sprachgebrauch gemäß pflegt man aber
da, wo von Personifikationen die Rede ist, die anthropomorphen
im Sinne zu haben, so auch im vorliegenden Fall.
Damit wären die hier zu behandelnden Dinge als die Dar-
stellungen von Objekten der uns umgebenden unbeseelten Natur
unter menschlichem Bilde definiert. Nun sind dies aber alles mehr
oder weniger konkrete Begriffe, und für die naiv bildende Hand
liegt es natürlich am nächsten, — sollte man denken — zu ver-

1) Wundt, Grundr. d. Psychol. 5. Aufl. 367.
2) Deubner, Lex. III, 2068.
3) Vgl. unten Kap. VI.
4) Waser, Lex. III, 3234 ff.

Matz.

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