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Matz, Friedrich
Die Naturpersonifikationen in der griechischen Kunst — Göttingen: Druck der Dieterich'schen Univ.-Buchdruckerei W.Fr. Kaestner, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.51056#0021
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eignisse, in wie weit durch Anknüpfung von Sagen an epichorische
Dämonen, Heroen oder Götter bestimmt ist. An dieser Stelle
muß es genügen, das Vorhandensein der Elemente zu konstatieren.

II.
Zu diesen Elementen kommt als letztes und zugleich als
stärkstes die dichterische Phantasie. Die bis hierher angeführten
Dinge sind denkbar auch ohne künstlerische Formung. Etwas
ganz Neues wird aus ihnen, wenn diese und der Phantasiereichtum
des genialen Menschen hinzutritt.
Friedrich Theodor Vischer sagt einmal1): „Jeder Mensch be-
seelt die Natur, aber ganz und voll nur der Dichter“. Ebensogut
wie Vischer das an Beispielen aus der modernen Literatur erläutert
hat, ließe es sich auch an der antiken zeigen. Macht man aber
einmal den Versuch, so ergeben sich freilich gewisse Unterschiede
innerhalb dieses Kreises. Gerber stellt die Sache so dar, als ob
es sich um begrifflich verschiedene und zu scheidende Dinge handele.
Er konstruiert sich ein Fächerwerk von Begriffen2) und füllt die
einzelnen Fächer, indem er die ganze Literatur durchgeht. Könnten
wir ihm glauben, so hätten wir uns beispielsweise zu denken3),
daß sich etwa „um die Zeit Pindars die einheitlich mythologischen
Personifikationen bisweilen in eine individuell-mythologische Gott-
heit, die in Sagen und Genealogien verflochten war, und eine
weniger individuelle als ideelle Personifikation des Landes“ spal-
teten. Nun bedarf es keines Nachweises, daß innerhalb der Ge-
schichte der griechischen Literatur die Tendenz da ist von der
Personifizierung zur Personifikation vorzugehen4), d. h. von der
bloßen Beseelung zur vollständigen Vermenschlichung. Durch einen
Vergleich der Delos des homerischen Hymnos mit der des Kalli-
machos wird man sich über dieses Verhältnis am besten klar. Aber
aus der steigenden Verfeinerung geistiger Kultur ist hier noch
lange nicht alles erklärt, dem schaffenden Genius mit dieser Be-
trachtungweise keine Gerechtigkeit geworden.
Viel tiefer gedrungen war schon Alexander v. Humboldt in
den gedankenreichen Absätzen, die den II. Bd. des Kosmos ein-
leiten 5). Humboldt warnt hier im Hinblick namentlich auf Schiller

1) Das Schöne rmd die Kunst. 3. Aufl. 07. S. 92.
2) 8. 243—45.
3) S. 256; vgl. 8. 247.
4) Für diese Terminologie vgl. G-erber 8. 243 f.
5) Vgl. Rohde, Griech. Roman, 1. Aufl. S. 505.
 
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