Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Matz, Friedrich
Die Naturpersonifikationen in der griechischen Kunst — Göttingen: Druck der Dieterich'schen Univ.-Buchdruckerei W.Fr. Kaestner, 1913

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51056#0022
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
14

vor allzuschnellen Schlüssen aus den Dichterwerken des Altertums
auf das Naturgefühl des antiken Menschen und macht mit Nach-
druck die Eigenart der Kunstformen geltend *). Es gilt das aber
nicht nur für das Verhältnis von Naturbeschreibung und Natur-
personifizierung, sondern auch innerhalb dieser letzteren, ist für
die Art und Weise, wie für die Intensität der Stil maßgebend.
Ein rascher Überblick über die antike Literatur möge das im Ein-
zelnen belegen. Da die Fälle von dichterisch personifizierten
Ländern und Städten aber zu vereinzelt sind, so empfiehlt es sich,
hier die Erscheinung gleich in ihrer Gesamtheit zu behandeln1 2).
Im alten Epos ist ihre Intensität im Vergleich mit anderen
Literaturgattungen überhaupt eine geringere3). Für Städte und
Länder gibt es sie gar nicht, höchstens für die Erde im allgemeinen
lassen sich ein paar Fälle anführen4). Warum, wird alsbald klar,
wenn man die Art, wie Delos im Hymnos auf den delischen Apoll
behandelt ist, etwas näher ins Auge faßt. Die Beseelung ist hier
sehr weit gebracht: Leto redet die irrende Insel an und diese
gibt ihr Antwort (51 ff. 61 ff.); dabei behält sie aber alle ihre ört-
lichen Eigenschaften. Von den übrigen Ländern und Inseln ist
kurz vorher gesagt, daß sie heftig zitterten und sich fürchteten,
Phoibos aufzunehmen.
Prinzipiell dieselbe Bildung haben wir in dem Skamander, wie
er im Buche Φ der Ilias geschildert wird. Der Fluß selbst, seine
wirklichen Wassermassen führen den Kampf mit Achill; denn wenn
es einmal (v. 212) heißt, daß er αγέρι ε’ισάμενος den Helden aus
den Fluten anredet, so kann das, falls der Vers wirklich ursprüng-
lich ist, nur als momentane Erscheinung gedacht sein, wie sie
unter dem Einfluß der vielen Sagen von menschengestaltigen Fluß-

1) S. 7. „Mir müssen daher diesen Äußerungen um so sorgfältiger nach-
spüren, und sie um so vorsichtiger beurteilen, als sie sich unter den großen Formen
der lyrischen und epischen Dichtung nur sparsam darbieten“ und S. 9: „Minder
der unbelebten Erscheinungswelt als dem handelnden Leben und der inneren
spontaneen Anregung des Gefühls zugewandt, waren die frühesten und edelsten
Richtungen des dichterischen Geistes episch und lyrisch“ u. s. w.
2) Benutzt ist namentlich Woermanns Schrift Über den landschaftl. Natur-
sinn der Griechen u. Römer; vgl. auch C. Hense, Poetische Personifizierungen in
griech. Dichtungen, Halle 1868 und Beseelende Personifizierungen in griech. Dich-
tungen etc. Progr. Parchim 1874. Für die Ortspersonifikationen auch: Steilding,
Lex. II, 2081 ff.
3) Woermann, a. a. 0. S. 15. 20.
4) T 362 γέλασσε δέ πάσα περί χθων χαλκού ύπό στεροπής beim Auszug der
Achaier zur Schlacht. — B 548: Die ζείδωρος άρουρα gebiert den Erechtheus. —
η 324, λ 576 Tityos heißt Sohn der Gaie.
 
Annotationen