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Matz, Friedrich
Die Naturpersonifikationen in der griechischen Kunst — Göttingen: Druck der Dieterich'schen Univ.-Buchdruckerei W.Fr. Kaestner, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.51056#0041
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darin seine Gedanken Wörmann verfolgt, der {Landschaft S. 265 f.)
im Gegensatz zur Überlieferung für das Thema des Werkes die
Personifikation der Stadt erklärte. Aber schon die Formulierung
Brunns beruhte auf der falschen Voraussetzung, daß das antike
Antiocheia sich am Silpion in die Höhe ziehe; namentlich durch
die Untersuchungen Försters (A. J. 1897 S. 103 ff.) wissen wir
jetzt, daß die Stadt des Seleukos auf die Ebene zwischen Berg
und Fluß beschränkt war l). Die Lage der Stadt hat der Künstler
also gewiß nicht durch die auf dem Felsen über dem Flusse sitzende
Frau zur Darstellung bringen wollen. Es ist die Stadtgöttin, die
in Tyches Gestalt auf dem Silpion thront, über Stadt und Land
ihre Blicke schweifen läßt und dem ungestümen Drängen des kleinen
Flußgottes mühelos Einhalt gebietet. „Ein halb andeutendes, halb
sinnlich faßbares Bild der Landschaft“, wie Kekule2) sehr fein
sagt, ist so zustandegekommen, aber keine direkte Übertragung in
ein Menschenbild. Es ist eben eine ganz individuelle Tyche, die
von Antiocheia, durch den Felsenthron und den Orontes in erster
Linie als solche charakterisiert, und darum einer Personifikation
der Stadt zwar sehr nahestehend, aber genetisch doch etwas anderes.
Wenn schon im III. Jhdt. die Thebe und Argos zweier home-
rischer Becher, beides richtige Personifikationen, ganz unverkennbar
im Motiv der Statue des Eutychides erscheinen3), so zeigt das,
wie nahe sich für diese Zeit bereits Stadttyche und Stadtpersoni-
fikation berühren. Nicht bewiesen wird aber dadurch die absolute
Identität beider für sie im Kult, da es sich hier um rein künst-
lerische Bildungen handelt, und, wie wir noch sehen werden, die
Personifikation in solchen Fällen zum Stil gehört. Aber ver-
wunderlich ist es nach alle diesem nicht mehr, wenn die Entwick-
lung schließlich darauf hinausläuft, daß Πόλις und Τύχη Πόλεως
Synonyma werden, und das Auffallende dabei ist nur, daß sich
das vor der Kaiserzeit nicht belegen läßt; man wird sich denken
dürfen, daß die seit dem Späthellenismus besonders stark zu be-
obachtende Neigung Tyches zu religiösem Synkretismus hier mit
in Betracht kommt.
Eine Weihung von der Akropolis des alten Rhodos aus dem
ersten nachchristlichen Jhdt. gilt 'Αλίωι καί Τυχαι (L G. XII 1, 23)
Daß das nichts anderes ist als die sonst als Halios und Rhodos

1) Schon Gerber hatte diesen Grund gegen Brunns Auffassung geltend ge-
macht a. a. 0. S. 265. Vgl. jetzt auch Heilig, Führer Nr. 362.
2) Die griech. Shtäptur, 2. Aufl., S. 253.
3) A. J. 1908 Taf. 5. 6, vgl. unten Kap. V.

Matz.

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