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Matz, Friedrich
Die Naturpersonifikationen in der griechischen Kunst — Göttingen: Druck der Dieterich'schen Univ.-Buchdruckerei W.Fr. Kaestner, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.51056#0084
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andere wirklich mythische Personen sind bekanntlich in dieser
Rolle etwas sehr Gewöhnliches. Anderseits kann der Künstler
seit der klassischen Periode so ganz unbehindert aus eigener Macht-
vollkommenheit ein solches Wesen bilden, daß sich diese inhalt-
liche Bestimmung nur von Fall zu Fall treffen läßt. Viel wichtiger
aber ist es, sich die Frage vorzulegen, ob in dieser Verwendung
von Personifikationen als Zuschauer historisch eine Entwicklung
und künstlerisch irgend ein Prinzip zu erkennen ist. Den Aus-
gangspunkt mögen die inschriftlich gesicherten Fälle abgeben.
Auf der berühmten Berliner Kadmoshydria, einem attischen
Werke das nicht älter als das letzte Viertel des V. Jhdts. sein
wird’j, ist in dem großen Kreise meist inschriftlich benannter
göttlicher Zuschauer auch ΘΗΒΑ anwesend, ein Mädchen, ruhig
sitzend in gesticktem Armeichiton und über das Hinterhaupt ge-
zogenem Himation. Ebenfalls die sitzende ΘΗΒΗ sieht man auf
dem wenige Jahrzehnte jüngeren Krater des Assteas in Neapel
mit derselben Szene1 2); bekleidet ist sie nicht wesentlich anders
als auf der Berliner Hydria; die Rechte greift über der Schulter
ans Gewand. Von demselben Vorbild abhängig wie diese Assteas-
vase ist die Hauptgruppe eines gleichfalls der Fabrik von Paestum
entstammenden Kraters im Louvre 3J. Außer Hermes, Pan, Aphro-
dite und einem Satyr sind hier zwei nicht besonders charakteri-
sierte stehende Zuschauerinnen anwesend. Wenn man die eine
Thebe nennt, so wird das, wie die beiden anderen Vasenbilder
zeigen, im Sinne des Handwerkers und seines Publikums sein; bei
der anderen könnte man zwischen Harmonia und einem der Kre-
naie entsprechenden Wesen schwanken.
Um die Analyse dieser Thebe handelt es sich zunächst. Es
ist dazu erforderlich, etwas weiter auszugreifen und die Funktionen
der zuschauenden Gestalt in der älteren griechischen Kunst über-
haupt ins Auge zu fassen.
Darstellung der Teilnahme hat für den dargestellten Vorgang
bekanntlich die Wirkung einer Resonanz ; er gewinnt dadurch für
1) Nr. 2634. Weicker, A. Ό. III 23. Gerhard, Etr. u. Camp. Vaserib.
C. 1—5. ΓΓ. V. I 7. Lex. II 837. Engelmann, Bdderatl. zu Ovid IV, 26.
Rizzo, M.A. XIV 1904 tav. III S. 15.
2) Nr. 3226. Millingen, Anc. Ined. Mon. I, 27. Danach TV. V. I, 7, Bau-
meister, Derikm. II, S. 770; Lex. II, S. 829 f. — Klein, Meisters. S. 208 Nr. 4.
3) Patroni, La Ceramica dell’ Italia Meridionale S. 78 Nr. 15. Phot.
Alinari 23678. Ältere Abb. : Millin, Mon. Ined. II, 25—27; Peintures de Vases
II, 7. Gall. Myth. 18, 395. Vgl. Heydemann, A. Z. 1872, S. 36. Crusius, Lex.
II, 830 f.
 
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