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Matz, Friedrich
Die Naturpersonifikationen in der griechischen Kunst — Göttingen: Druck der Dieterich'schen Univ.-Buchdruckerei W.Fr. Kaestner, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.51056#0085
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77

den Beschauer an Interesse und dramatischem Leben. Nicht bloß
aus der neueren, auch aus der antiken Kunst ist diese „Schilderung
durch die Wirkung“ jedermann wohl bekannt.
Andererseits hat der Künstler in den Zuschauern, die er einer
Szene beigeben kann, ein Mittel in der Hand, alle möglichen Ge-
danken, die ihm zu deren Verständnis wichtig scheinen, auszu-
drücken und eine Menge von Vorstellungen, die für ihn und sein
Publikum mit ihr verknüpft sind, zu erwecken.
Das eine schließt das andere nicht aus. Im Gegenteil, in
jedem einzelnen Falle kommt beides in Betracht, nur die historische
Bewertung und das gegenseitige Verhältnis der beiden Momente
ist variabel. Daß das letztgenannte das Primäre ist und in sich
die Anregung zu der ganzen Erscheinung enthält, steht außer
Frage: Vor allem anderen gehört es zum Wesen der archaischen
Kunst, zu erzählen, möglichst viel zu erzählen.
Dementsprechend hat sie sich das Motiv des Zuschauers zu-
nutze gemacht, seitdem sie sich überhaupt mit der Darstellung
von Mythen befaßt. Das früheste Beispiel, soweit ich sehe, liegt
vor in dem Halsbilde der melischen Amphora in Athen Nr. 478
(Conze Taf. III) mit dem Zweikampf zwischen Achill und Memnon1 2).
Der Maler will zunächst nichts weiter, als durch die hinzugefügten
Mütter seine Helden charakterisieren und die Aufregung der An-
gehörigen schildern. Daß dabei etwas herauskommt, was nicht
mit Unrecht schon als Schilderung durch die Wirkung definiert
werden könnte, ist allerdings überraschend genug, aber doch in der
Natur der Dinge begründet. Nur ist es, wie gesagt, das Resultat
jener anderen Tendenz und nicht umgekehrt.
Von solchen Fällen wie den Heldenmüttern beim Zweikampf
zwischen Achill und Memnon hat man sich überhaupt naturgemäß
die Verwendung der teilnehmenden Zuschauerinnen ausgehend und
angeregt zu denken 3). Es kommt hinzu, daß es für andere Mythen
1) Vgl. K. Friederichs, Die philostr. Gemälde, 1860, S. 247. Brunn, Die
philostr. G. gegen K. Friederichs verteidigt, Fleckeisens Jahrb. Suppl. IV, 1861,
S. 286.
2) Zur Deutung vgl. Lippold, Münchener Archaeol. Studien S. 433. Dung,
Memnon S. 39 f.
3) Dagegen ist die Kraft des antithetischen Kompositionsprinzips in der
archaischen griechischen Kunst nicht derart, um sich ohne Ifficksicht auf den
Sinn oder gar sinnwidrig behaupten zu können. Es wirkt nach, aber kaum je,
ohne mit dem Inhalt einen Bund von mehr oder weniger festem Gefüge einzugehen:
Loeschcke, Bonner Studien 248 ff. Winter, A. A. 1898, 176 f. Ö.J. 1904, 131 f.
L. Gurtius, Gilgamisch und Meabani, Sitzung sb er. cl. Münchener Akad. 1912, 7
S. 70. Mauser, A. J. 1913, 276.
 
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