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Mayer, August Liebmann; El Greco; El Greco [Hrsg.]
El Greco — Berlin: Klinkhardt & Biermann, 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.53299#0013
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1. LEBEN

Die Lebensgeschichte des Griechen von Toledo ist in manchen wichtigen Punkten
noch immer nicht recht aufgeklärt. Immerhin haben die neueren Dokumentenfor-
schungen spanischer Gelehrter, vor allem die von San Roman, manche Dunkelheiten
aufgehellt. Wir wissen heute, daß Dominico Theotocopuli 1541 in Candia, der Haupt-
stadt Kretas, geboren wurde1). Wann er nach Venedig kam, steht nicht fest. Sicher ist,
daß er im Atelier Tizians gearbeitet hat, daß er sich als Schüler Tizians 1570 in Rom
einführte und auf diese Schülerschaft in zeitgenössischen Briefen und Inventaren hin-
gewiesen wird. Völlig ungeklärt ist sein Verhältnis zu der Werkstatt der Bassani. Ob
die offenkundigen künstlerischen Beziehungen zu Jacopo Bassano, von denen noch die
Rede sein wird, wirklich zur Annahme berechtigen, daß der junge Maler eine Zeitlang
in der Werkstatt selbst gearbeitet hat, muß dahingestellt bleiben. Es wird in dem
Kapitel über die Entwicklungsgeschichte des Künstlers ausführlich davon zu sprechen
sein, welch mannigfache Anregungen der junge Dominico in dem Jahrzehnt 1560—70
empfangen hat. Gegen 1570 verließ der Grieche Venedig und ging über Parma, wo er
u. a. die berühmte „Nacht“ Correggios kopierte, nach Rom. Dort muß er, nach einem
Brief des Don Julio Clovio, des berühmten Miniaturisten, an den Kardinal Farnese vom
16. November 1570 zu schließen, im Herbst 1570 eingetroffen sein. Clovio, der selbst
ein halber Landsmann des jungen Kandioten war, verschaffte ihm Unterkunft im Pa-
lazzo Farnese. In jenem Brief berichtet er von einem Selbstporträt des Griechen, das
alle Maler in Rom in Erstaunen gesetzt habe. Der junge Künstler führte offenbar eine
Reihe von Arbeiten für den Kardinal Farnese wie für den Bibliothekar des Kardinals,
den Kanonikus Fulvio Orsini aus, von denen heute nur noch das Clovio-Porträt und
der eine feurige Kohle anblasende Junge im Neapler Museum, die „Blindenheilung“ in
Parma und das kleine Sinai-Bild erhalten sind. Die Eigenwilligkeit Grecos hat sich
in seiner Kunst von Anfang an bemerkbar gemacht, und wir verstehen vollkommen
das Urteil Clovios, der den jungen Meister „raro nella pittura“ nennt.
Wie lange sich Greco in Rom aufgehalten hat, wissen wir nicht, möglicherweise bis
kurz vor seiner Übersiedlung nach Toledo. Hat er wirklich 6 Jahre in Rom geweilt,
so ist es befremdlich, daß uns aus dieser Zeit so wenig Werke erhalten sind. Es klafft
jedenfalls eine Lücke zwischen den ersten römischen Jahren und dem Auftauchen des
Griechen in Toledo. Er ist dort seit Juni 1577 dokumentarisch nachweisbar. Die Über-
siedlung des Künstlers nach Toledo, um nicht zu sagen nach Spanien, wird mit dem
Auftrag zur Ausschmückung der Klosterkirche Santo Domingo el Antiguo begründet.
Den Auftrag vergab der Dekan der Toledaner Kathedrale, Don Diego de Castilla, ein
l) Der Künstler erklärte in seinem Prozeß mit dem Hospital de la Caridad zweimal: 31. Okt. und 4. Nov. 1606,
daß er 75 Jahre alt sei.

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