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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 23.1980

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Voit, Ludwig: Zu einer lateinischen Quellensammlung aus Konstanz
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https://doi.org/10.11588/diglit.33077#0020
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Zu einer lateinischen Quellensammlung aus Konstanz
Im Jahre 1826 hat K. J. Weber' in seiner „Reise durch das Großherzogtum Baden“ über
die heute blühende Bodenseemetropole Konstanz geschrieben: „Es wächst Gras in der Stadt
des Constantius.“ Daß es aber nicht immer so war, daß das größte Bistum Süddeutschlands
vielmehr nicht nur durch das Konstanzer Konzil zu umfassender Bedeutung gelangt ist,
sondern auch schon vorher als die Stadt der Heiligen Gallus und Konrad und des bedeuten-
den Bischofs Salomon III.; daß es auch später als freie Reichsstadt mit mancherlei, auch
wirtschaftlichen Verflechtungen mit der nahen Schweiz und vor allem als Sitz eines
Humanistenkreises, den ein Erasmus mit seinem Besuch beehrt hat, große Bedeutung für
die Geistesgeschichte besaß, daß aber all dies durch den gewaltsamen Übergang der Stadt
an das Haus Habsburg 1548 ein Ende fand - all das wird lebendig, wenn man die lateini-
schen Quellen zur Geschichte der Stadt Konstanz liest, die Dr. H. Knittel unter dem nicht
ganz glücklichen Titel: Ex Historia Constantiae ausgewählt und erläutert hat (VI und 174
Seiten, erschienen in Konstanz 1978). Da der Verfasser (Kapplerbergstraße 65, 7753 Allens-
bach) sein Büchlein durchaus für den Gebrauch im Lateinunterricht der Konstanzer
Schulen gedacht und sogar empfohlen hat, an welchen Stellen des Latein-(oder Geschichts-)
Unterrichts die einzelnen Stücke zweckmäßig eingebaut werden könnten, ist es geboten,
an dieser Stelle etwas ausführlicher auf das Büchlein einzugehen.
Die Sammlung umfaßt 85 Originalstücke zur Geschichte der Stadt, beginnend mit dem
Bericht über die Einsetzung des ersten Bischofs durch den Hl. Gallus aus der Vita Sti.
Galli (MGH)S und endend mit der Begründung des Jesuitenkollegs i. J. 1604: die Auswahl
umfaßt somit etwa ein Jahrtausend Konstanzer Geschichte. Erschwert wird die Benutzung
freilich dadurch, daß die Stücke wohl im Inhaltsverzeichnis durchnumeriert sind, nicht
aber im Text selber und ebenso wenig in den „Erläuterungen“ (S. 126ff.), so daß es manch-
mal schwierig ist, Text und Erläuterungen der Einzelstücke zusammenzufmden; leider
fehlen auch an hervorragender Stelle die jeweiligen Jahreszahlen. Dafür wird in den Er-
läuterungen zu Beginn der einzelnen Stücke der bibliographische Nachweis sehr genau auf-
geführt: es handelt sich durchweg um originales Latein.
Das Büchlein ist, wie gesagt, in erster Linie für die Schuljugend von Konstanz gedacht.
Wenn die Heimatstadt in ihrer Geschichte auf diese Weise in die lebendige Tradition der
lateinischen Sprache so einleuchtend eingebaut wird, wenn die Schüler auch gelegentlich
eine lateinische Inschrift wie die am Konzilsgebäude (dort dazu noch eine mhd. Übertra-
gung!) noch in situ vorfinden können - wie auch viele der übrigen Texte auf in Konstanz
heute noch vorhandene Orte oder Bauten hinweisen -, so wird nicht nur das Weiterleben
des Lateinischen durch alle diese Jahrhunderte hindurch eindringlich vorgeführt, sondern
auch der heutige Konstanzer Schüler zum Erlernen dieser Sprache zweifellos mehr „moti-
viert“, als wenn ihm nur Texte der Antike bekannt gemacht werden. Darüber hinaus er-
gibt sich die Möglichkeit, z. B. das epische Gedicht Bischof Salomos vom Jahr 906 über die
Ungarnnot mit Vergil, die Grabschrift des berühmten byzantinischen Gelehrten Chryso-
loras, gestorben 1415 in Konstanz, (wie vorgeschlagen) mit Ovid oder die köstliche Dar-
stellung des sogenannten „Plappartkrieges“ in W. Pirckheimers „Bellum Helveticum“ mit
Caesar oder einen der herrlichen Briefe des Erasmus, z. B. seine Würdigung des Humanisten
U. ZasiusanW. Pirckheimer, mit Briefen des jüngeren Plinius kontrastierend zu vergleichen.
- Die Ereignisse um das Konzil treten ebenso plastisch vor Augen wie die aus Humanisten-
briefen ersichtlichen Auseinandersetzungen um die neue Lehre Luthers oder Zwinglis. Die

1 Bekannt auch als Autor des 5bändigen postum erschienenen „Demokritos oder hinter-
lassene Papiere eines lachenden Philosophen“, ein Werk, das noch im Bücherschrank
meines Großvaters stand!
2 Aus der römischen Zeit von Konstanz scheint an literarischen oder epigraphischen Be-
zeugungen nichts Wesentliches erhalten zu sein; m. W. wird die römische Stadt nur ein
einziges Mal bei dem anonymen Geogr. Rav. aus dem 7. Jh. genannt.

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