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Deutscher Altphilologenverband [Editor]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 31.1988

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Nr. 2
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Buchbesprechungen
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Müller, Alexander: Zur Begleitgrammatik der Ianua Nova
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https://doi.org/10.11588/diglit.35869#0052
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1) So erfreulich es ist, daß es einen Überblick über die Wortarten gibt, so sehr wird Entsprechen-
des für die Satzteile vermißt. Eine solche Darstellung hätte den Vorteil, daß der Lehrer mit einiger
Sicherheit Satzteilbestimmungen vornehmen könnte, ohne in Widerspruch zur BGr zu geraten.
Jetzt aber ergeben sich Unsicherheiten, wenn § 35 in dem Satz Gaius a Marco interrogatur a
Marco als AB (adverbiale Bestimmung) bezeichnet wird. Denn das ist verwunderlich. Die Be-
schreibungen der AB sind zwar sehr dürftig (§ 8 und 66), abera Marco als Agens erfüllt nicht die
Bedingungen einer AB. Oder ist etwa gemeint, daß jede Präpositionalgruppe ohne Rücksicht auf
ihre Funktion als AB bezeichnet werden soll?
Ähnliches scheint mir bei der Definition des Ablativs vorzuliegen. Da heißt es in § 23: ,,Der Ab-
lativ ist der Kasus der adverbialen Bestimmung", als ob der Ablativ immer eine AB sei; aber in
§ 189 wird richtig gesagt, daß der abl. limitationis auch als Attribut vorkommt, ebenso der abl.
qualitatis, der auch Prädikatisnomen sein könne § 212. Und wie steht es mit dem abl. mensurae,
abl. comparationis und dem abl. in solchen Syntagmen wie abqua re ub ? Wie soll ich diese Abla-
tive meinen Schülern erklären? Hinzu kommt, daß der ominöse Satz von dem Ablativ farbig un-
terlegt ist. So wird er sich den Schülern einprägen, sicher nicht zu ihrem Nutzen.
2) Beim Akkusativ ergeben sich schon früher Schwierigkeiten. In § 7 wird er folgendermaßen be-
schrieben: ,,Der Akkusativ ist der Richtungskasus", und in § 8 wird der Beispielsatz Anciba ad
hortum curdt gebracht und noch einmal betont: ,,Auch hier gibt der Akk. die Richtung an". Aber
schon in L3 des Lehrbuches steht der Satz dominus ad aram deum adorat, und hier gibt ad aram
den Ort an; auch die Akk. in cibum apportat, servum timet, spem amittit (alles aus L2) haben
nichts mit Richtung zu tun; und wie steht es mit solchen Sätzen wie tibi cibum apporto? Hier
könnte man vielleicht sagen, daß mit tibi die Richtung angegeben wird, aber tibi ist leider Dativ.
3) Gleich darauf folgt in § 9 eine Überraschung. Es sollen die Begriffe transitiv und intransitiv er-
klärt werden. Dazu heißt es: „transitiv: Verben mit Akkusativobjekt, intransitiv: Verben ohne Ak-
kusativobjekt". Als Beispiel werden gebracht: Vaieria ancii/am vocat (tr.) und Vaieria vocat (intr.).
Das hieße, daß ein transitives Verb durch Tilgung seines Akkusativobjektes intransitiv wird. Ist
das wirklich richtig?
4) Verwirrend ist auch der Umgang mit den Morphemen. In § 18 ist-s- das Morphem für den Akk.
PI., in § 47 aber „langer Vok. und s". Für das Imperfekt gibt es nach § 64 zwei Morpheme: -ba-
und -eba-. Ich frage mich, warum in dieser Weise unterschieden wird, denn bei ponebam erken-
ne ich genauso wie bei /audabam am -ba-, daß es sich um ein Imperfekt handelt. Dasselbe gilt für
die Gerundiumsmorpheme -nd- und -end- § 153. Es ist sinnlos hier zu unterscheiden - und
scheint mir auch nicht korrekt zu sein. Nach § 20 der BGr wäre das -e- Bindevokal.
Ratlos fühle ich mich auch in § 113. Dort heißt es: „Kein besonderes Futurmorphem hat esse; das
-s- zwischen Vokalen ist zu -r- geworden". Handelt es sich hier um ein Nullmorphem? Oder ist
„kein besonderes Morphem" eine neue Morphemklasse?
Dabei läßt sich das Morphem leicht ermitteln: Das Imperfektmorphem -ba- verhält sich zu dem
Futurmorphem -b- bei den anderen Verben wie-ra- und -r- bei esse. Die Ursache dafür, daß die
Autoren diese Lösung nicht anbieten, liegt offenbar darin, daß sie an dieser Stelle diachronisch
und nicht synchronisch gedacht haben. Ein solch unmotivierter Wechsel kommt häufiger vor,
z.B. in § 162. Dort wird unter (4) der quin-Satz als indirekter Fragesatz erklärt. Das wäre aber nur
richtig unter diachronischem Aspekt, synchronisch ist es falsch.
5) Etwas ausführlicher soll auf die Behandlung der Tempora eingegangen werden. Ich beginne
mit dem Perfekt. In § 55 wird das deutsche Perfekt folgendermaßen beschrieben: „Das dt. Per-
fekt bezeichnet aus der Gegenwart des Sprechers zurückschauend a) einen Zustand, der in der
Gegenwart fortbesteht, nachdem er aus einem Geschehen der Vergangenheit entstanden ist ...
(= resultativ), b) ein Geschehen, das in der Vergangenheit vollendet worden ist (= konstatie-
rend)". Nun gibt es im Deutschen einen sehr häufigen Perfektgebrauch, der hier überhaupt nicht
erwähnt wird. In meine solche Sätze wie: „Wann hast du endlich aufgeräumt?" Das ist eindeutig
die Zeitstufe der Zukunft und ein Perfektgebrauch, den der Schüler jeden Tag erlebt. Eine Be-

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