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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 47.1901 (Nr. 562-574)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16557#0027
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III e g g e n o r f e r s I) u m o r i st i sch e Blätter

Alein Areund Zun.

R>^eutc haben sie meiuen Frcuud Siin begrabcn. Lr bat ein
I traurigcs Lnde gehabt. In einem Anfall von Geistesstörung
^ j bat er sich erhängt. U)enn ich bedenke, daß sein Strick ein
5hlips von schwarzer 5eide mit roten sdunkten gewesen ish so muß
ich mir sagen, daß ich nicht unschuldig an seinem Tode bin, und das ist
inir ein trauriges Bewußtsein.

Alein chrcund 5im war ein guter Bursche; ich kann aber nicht
recht sagen, wie wir Freunde geworden sind, denn wir xaßten eigent-
ich nicht ganz zusamrnen. Das inerkte ich besonders, als wir eine
Zcit lang zusammen wohnten.

Sim trug so konrische Rragen. Ich weiß nicht einmal, ob sie
immer ganz rein waren; ihre Form erinnerte mich aber unbeschreib-
lich an die, die mein alter Dorsschullehrer, der jetzt über neunzig
Iahre alt ist — Gott schenke ihm ein ruhiges Alter — immer trug.
Ls muß Lim Mühe gemacht haben, diese Rragen auszutreiben; ich
sah ihn aber nie mit andern.

lVenn Lim zu Bett ging, wusch er sich und verspritzte sehr

viel wasser dabci, dann zog er ein Lsemd an und kroch in seine
Rissen. Das war seine Toilette — er trug keine Schnurrbart-
binde. Ich lüge nicht etwa, sondern erzähle die reine ll?ahr-
heit. Ich muß gestehen, es war mir immer recht peinlich, ihn
anzusehcn, wenn er so dalag, und das ist auch schließlich der
Gruud gewesen, weshalb ich nicht inehr mit ihm zusammen
wohnen mochte und uinzog.

Aber er hatte noch andere Ligentümlichkeiten, die ich nicht
alle auszählen will, nur die hauptsächlichste nenne ich. Lr
war geradezu anormal geschmacklos in Lhlipscn. lllenn er
einen neuen brauchte, ging er in einen Laden und kauste den
ersten besten, sertigcn, dcr ihm in die lsand gesteckt wurde.
Den hakte er sich ein und dann ging cr heruin, cine 5chande
sür Gott und die Menschen.

ll)ie oft sagte ich ihm: „Lim, das endet noch schliunn."

„Dann sah er ganz erstaunt in den Sxiegel und sragte: „Der
ist doch sehc hübsch? ll)as willst Du nur?"

Linmal trug er einen von himmelblau und rosa changie-
render Seide, der Rnoten eng zusaminengeschnürt, wie die
Taille eines eitlen lllädchens und die beiden heruntersallenden
Lnden unnatürlich breit und anspruchsvoll auseinander gezogen.
5o etwas sand er nun sehr schön.

Ich sah ihn aus der Ltraße; aber ich lies in einen Blumen-
ladcn und versteckte mich hinter cincr Ltaude Goldlack. Aus
den Tag besinne ich mich noch sehr genau. Ich kauste mir
damals cine weiße Belke und steckte sie mir in das Rnopsloch
meines lllantelausschlages. Bei 5im war das Rnopsloch immer
zugenäht. Nun möchte ich wissen, wozu ein Rnopsloch ist,
wenn es zugenäht bleibt. Dann ging ich weiter. Da sah ich
cinen Shlipsladen, dcr Ausverkaus hatte. Dies war alles l)er-
hängnis. chür mich kause ich nie etwas iin Ausverkauf, aber
ich dachte: „Aannst Du es nicht sür 5im thun?"

llnd als ich das dachte, sah ich einen wunderhübschen
Lelbstbindcr aus schwarzer 5eide mit roten fdunkten und er
kostete nur eine lllark fünszig pfennig. Da ging ich hinein
und kaufte ihn für 5im. 5im ist sehr sparfam, was er einmal
hat, verwendet er auch. Daruin konnte ich ihm auch seine
Dorflehrerkragen nicht abgewöhnen. Nun sollte er aber lernen,
sich seinen Lhlips selbst zu binden. Ich kann nur sagen, daß
ich es gut meinte. ll)er kann auch alles im voraus wissen.

Zch ging also zu Lim und bracbte ihm den Lhlips. ll)ir

wohnten damals nicht mehr zusammen. Lr war sehr erfreut
und ich sagte ihm, er hätte mich vier lllark fünfzig s)fennig
gekostct. Lr war sehr eifrig und begierig, ihn fich umzubinden,
deshalb knüpfte ich meinen auf und vor seinen Augen wieder
zusammen, um es ihm zu zeigen.

„Also sieh her, 5im, und mach kein solch dummes Gesicht.
Lrst ziehst Du cs durch, so, und dann legst Du es zufammen,
so, und dann legst Du das darum, da, und dann fteckst Du das
durch, hier, und dann ziehst Du an diesen Lndcn, — voilä
tont."

Ich habe immer sehr gut Lhlipse gebunden. Auf meinem
ersten Ball hat mir eine alte Dame cinen Ruß gegeben, weil
ihr meine 5chleife so gefiel. Ich war sehr erfreut, aber eine
junge wäre mir natürlich lieber gewesen.

5im hatte mit gierigen Augen zugeschaut, ein verstörter
Ausdruck in seinen Zügen hätte mich schon damals warnen
sollen, er war aber zunächst ganz 5eligkeit, schrie: „Ich weiß
schon, ich weiß schon," grisf mit zappelnden lsänden nach seinem
5hlixs und stürzte vor den 5piegel. Das Resultat war kläg-
lich. Der schöne 5HIips zu vier lllark sünszig psennig war
ganz zerknittert, es war aber auch nicht annähernd etwas
5chleisenähnliches herausgekommen.

„5im," sagte ich vorwurfsvoll, „sieh noch einmal her. Alan
macht das so."

Lr stieß mit seiner Nase fast an meine ll)este, so nahe
rückle er heran und andächtig solgte er jeder Bewegung.

„Das letzte ging zu schnell!" schrie er aus. „Gerade daraus
kommt es au."

„Ia, 5im," sagte ich bestürzt, „das muß man auch ein
bißchen sir machen. 2lber sieh her, ich versuche es noch einmal."

Aber nun mißlang es mir selbst und 5im weinte sast, weil
er es nicht begreisen konnte. Zch weiß nicht, wie ost ich den
Nachmittag 5chleisen gebunden habe, meine und 5ims. llleinen
5hlips habe ich nachher unserm Listjungen schenken müssen.
Der sagte: „Danke, läerr," aber so, als ob ich ihn beleidigt hätte.

Lndlich mußte ich nach lsause, denn wir hatten uns zum
Abend mit Freunden verabredet, und ich wollte mich noch um-
kleiden. Vorher aber band ich 5im seinen Shlips um, so gut
ich konnte. Es war merkwürdig, wie verändert der lllensch
damit aussah, sörmlich vornehm. An so etwas muß ich denken,
um mich über das Lnde zu trösten.
 
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