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Meier-Graefe, Julius; Menzel, Adolph von [Ill.]
Der junge Menzel: ein Problem der Kunstökonomie Deutschlands — Leipzig, 1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.25426#0013
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DER ANFANG

T EDE Kunst ist bis zum gewissen Grade Illustration,
zumal jede junge Kunst. Die Empfindungen des An-
fängers drängen notwendig nach materiellen Illusionen.
Er besitzt noch nicht den ganzen Umfang der Sphäre,
die seinem Spiele frommt, hat weder in seinem Publikum,
noch im eigenen Herzen den Vorrat von Formen, auf den
er anspielen kann, und bedarf der Präzision, um ver-
standen zu werden und sich selbst zu verstehen. Alle
Erstlingswerke sind mitteilsam. Vor allem schaffen, sich
äußern, mitreden. Eine Flut von Uberflüssigkeit, von Bei-
werk verdeckt das Eigentliche, ja dieses strömt rein un-
absichtlich, zufällig in das Werk, dem Autor unbewußt,
den Empfängern unkenntlich. Jeder Anfänger ist primitiv
wie das Kind, das den Mond abzeichnet, wie der Beginn
der Malerei vor 600 Jahren. Ein Gegenständliches soll
in Farben und Linien gebracht werden. Es wird nicht
daran gedacht, das Gegenständliche zu verschönern,
sondern es überhaupt zunächst wahrnehmbar zu machen.
Der Künstler lauscht auf die Welt, und was sie ihm sagt,
ist ihm bei Beginn wichtiger, als die Tiefe seiner Wieder-
gabe. Da ihm nichts anderes übrig bleibt, als aufrichtig
zu sein, hilft er sich wie er kann mit seiner Empfindung,
und diese Selbsthilfe gibt ihm, ohne daß er es ahnt, die
erste Form, den Embryo der zukünftigen Künstlerschaft.
Das ist der Werdegang der Modernen, die aus sich
selbst heraus werden, ohne Schule, ohne die Unterstützung
des Meisters. In den Zeiten der Tradition war es anders.
Damals hatte der Jüngling nicht so sehr das Bestreben,
sich selbst, als die Art des geliebten Vorbilds zu malen.
Der Meister war ihm die Welt, er illustrierte ihn und
übte sich in Variationen nach dem Vorbild. Mit dem
Fall der Tradition mußte notwendig das Verhältnis des
Künstlers zur Welt intensiver werden. Er war genötigt,
 
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