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Meier-Graefe, Julius; Menzel, Adolph von [Ill.]
Der junge Menzel: ein Problem der Kunstökonomie Deutschlands — Leipzig, 1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.25426#0226
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2l6

DER KOMPROMISS

sondern bleibt an dem Dunst der Wirklichkeit haften.
Trotzdem fühlen wir hier eine Steigerung Menzels.
Wie ihn früher jeder Wechsel des Stoffgebietes wohl-
bekam, so lockte ihn auch hier der neue Vorwurf aus
dem Alltag seines Genres zu einer ernsteren Kunst.
Der Blick in die neue Welt zog seine edleren Fähig-
keiten an und brachte den Grad von Zusammenhalt
hervor, der dem Bilde die relative Bedeutung sichert.
Von da an hielt nichts mehr den Niedergang Menzels
auf. Die letzten dreißig Jahre sind eine konstante
Vergröberung der Schattenseiten des Meisters. Es
genügt, ein so mäßiges Bild wie die früher erwähnte
,,Eisenbahnidylle", aus 1851, mit dem unendlich schlim-
meren ,,Coupe" des Jahres 1892, oder die Gasteiner und
Kissinger Bilder mit der Art des Kösener Waldes, oder
den ,,Markt von Verona", aus i88zj., mit den Pariser
Bildern zu vergleichen. Aus der Darstellung der Masse,
von der man einen Augenblick die Rückkehr zur Kunst
erwarten konnte, wird immer mehr eine Massendarstellung
des Details, die sich mit wahrer Wollust aller genrehaften
Motive bemächtigt. Der ,,Markt von Verona",1) das vir-
tuoseste Bild der letzten Zeit, ist das Extrem einer auf
das Unkünstlerische gerichteten Geschicklichkeit. Der
Sinn aller Kunst wird hier, fast mit Raffiniertheit, zum
Gegenteil gewendet. ,,Seiner Menge," schrieb ein guter
Kenner über die Art solcher Bilder, ,,fehlt das Massen-
bewußtsein. Man hat das Gefühl, als sähe man mit dem
Opernglas auf das Straßentreiben. Die Menge löst sich
in Individuen auf, deren jedes sein eigenes kluges Gesicht
macht, und die Einheit der Töne wird in harte und bunte
Lokalfarben zersetzt." Alan könnte ohne Übertreibung
hinzufügen, daß sich ganz ebenso alles Edle des Künstlers,
der in der Jugend auf vielen Wegen dem Schönen nahe

Ü Seit kurzem in der Dresdner Galerie, die auch eins der allerschlimm-
sten Aquarelle, den ,,Biergarten in Kissingen", aus 1891, erworben hat.
 
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