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Meier-Graefe, Julius; Gogh, Vincent ¬van¬ [Editor]; Meier-Graefe, Julius [Oth.]
Vincent (Band 1) — München, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.29620#0223
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konnte natürlich keine Rede sein. Dann fuhr er überhaupt nicht. Er ge-
hörte nicht zu der gefährlichen Sorte. Höchstens konnte ein Wärter die
paar Stationen bis Tarascon mitfahren, wo der Schnellzug hielt. Passierte
irgend etwas unterwegs, halfen Mitreisende. Freundliche Leute fanden
sich immer. Eine Krisis kam aber schon deshalb nicht, weil der Ärger, den
Süden unvollendet zurückzulassen, viel größer sein mußte als die Verrückt-
heit. Übrigens konnte man jetzt mit einer längeren Pause rechnen.

Der endgültige Entschluß wirkte heilsam. Man sah die anderen und die
Schwestern gleich ganz anders an, sogar mit einer gewissen Melancholie.
Über Auvers verlautete nur Gutes, und allein die Befreiung aus den ver-
pesteten Klostermauern mußte Wunder tun. Dann der Norden, das neue
Land, die neue Familie, alles positive Medikamente. Übrigens hinderte
nichts, bis zur Abreise noch ein paar Blumen zu malen. — Rätselhaft war
diese Krankheit. Jetzt zum Beispiel fühlte er sich kräftiger als früher in
den besten Tagen, ohne die geringste Trübung. Der Pinsel ging wie eine
gut laufende Maschine. Der Lazarus nach Rembrandt und der Samariter
nach Delacroix wurden in je einem Tage fertig. Dazu zwei Buketts mit
Iris, die vielleicht Herrn Aurier interessiert hätten: das eine in zarten
Tönen von Grün, Rosa, Violett, das andere in warmem Preußischblau.
Dazu die Rosen auf hellgrünem Grund. Es war eine neue Art Blumen,
nicht so ungestüm wie die Tournesols aus Arles, von intelligenterem Stil
und lichterem, froherem Gepräge. Sie wirkten fast elegant neben den
Tournesols. Herr Aurier hatte im wesentlichen wohl nur die alten Pari-
ser Blumenstücke gesehen, die auch ihren Stil hatten, nur war der all-
gemeiner, ein Blumiges, das auf älteren Konventionen beruhte und die
nähere Gattung des Objekts außer acht ließ. Jetzt erwuchs das Allge-
meine aus dem durchaus Besonderen. Diese neuen Stücke stellten Iris
und Rosen dar, nichts weiter, aber das bis zum letzten. Leute einer an
Freuden reicheren Zeit hatten vielleicht solche Blumen nie wahrgenom-

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