gleich unterworfen war. Alle anderen luchten mit der größten Anftrengung natürlich zu werden
oder zu bleiben, alle die Dinge, die ihrem Inftinkte vorfchwebten, in einem rationellen Organis-
mus zu vereinigen. Diefe Grundbedingung brachte Courbet als Prämiffe mit. Er hätte überhaupt
nicht malen können, wenn nicht als Bauer, als Untertan der Erde, der Materie. Wenn nicht die
Konftellation der Malerei eine Inftinktgeftaltung, wie er iie betrieb, zuließ, wäre ihm jede Mög-
lichkeit zur Kunft verfagt geblieben.
Diefe Konftellation aber war feit den großen Holländern gegeben. Rembrandt hatte eine Form
gebracht, die mit einer nie vor ihm gefehenen Unmittelbarkeit den Gedanken geftaltete. Rubens
war mit anderen Mitteln zu einer ähnlich wirkfamen Einheit gelangt. Zwifchen beiden fuchten
viele große und kleine Leute ähnlicheWege. Daß ihnen allen diefe Einfachheit ihrer vollendeten
Äußerung erft nach unendlichen Experimenten gelang, folgte aus ihrem Künftlertum, aus ihrer
Lehre,ihrer Raffe,und dem alten Erfahrungsfatz,daß man unendlich viel lernen muß,um nachher
unendlich viel wieder zu vergeffen. Courbet ging es nicht anders; wir haben feine Experimente
gefunden, aber er war beffer daran dank feiner beifpiellos eindeutigen Anlage. Seine Liebe zu den
Alten war mehr das Verhältnis des Inftinktes zu Blutsverwandten, als pietätvolle Anbetung des
Jüngers.
Daß niemandem diefer Zufammenhang Courbets mit den größten Malern zu denken gab! Vielleicht
weil er fo felbftverftändlich war, weil die Menfchen Inftinkt-Regungen geringer fchätzen als
ringende Arbeit. Lemonnier nennt Courbet „ein Temperament in einem Mechanismus“. Die
Übertreibung läßt unüberfehbare Fähigkeiten des Künfllers außer Betracht. Mechanifch oder
niederer Art war in Courbet das Bewußtfein der Zufammenhänge feiner Äußerung mit dem
moralifchenoder überhaupt geiftigen Zentrum,d.h.dielnterpretation feines Inftinktes. Willkürlich
war, wenn er die Folgerung feiner fozialiftifchen Propaganda mitfeinenWerken zuließ, wobei mir
übrigens immer wieder Zweifel an dem Ernft feiner Erlaffe auffteigen. Ungeiftig war die mangel-
hafte Organifation feines Oeuvre. Sicher aber trieb kein Mechanismus den Meifter, die Alten
wieder zu entdecken und feine ftupende Gefchicklichkeit an hohen Vorbildern zu veredeln. Nichts
weniger als mechanifch war das Verhältnis Courbets zur Natur. In der Bahn Millets oder Corots
wäre er verunglückt. Millet kam von mäßigen Vorbildern her, Corot ging überhaupt nicht in die
Mufeen, wenigftens nicht, folange er jung war. Courbet, der Naturmenfch, lernte feine Land-
fchaften und feine Menfchen im Louvre. Und lernte fchlechterdings wie ein geborenes Genie. Er
nahm das Mittel der Alten zunächft wie es war, weil er es fo brauchen konnte, und modifizierte es
nachher auf die denkbar zweckdienlichfteWeife. Man braucht nur an die Eklektiker der englifchen
Schule nach Hogarth zu denken, um ein Maß für den Lehrling zu finden. Sein Mund war manch-
mal pietätlos, während der Manufacturer Reynolds gefalbte Reden hielt. Seine Hand, fein Auge
waren es nie. Doch ftand der Drang nach Ausfprache über feiner Liebe zu Hals und den Spaniern.
Er handhabte den Pinfel mit gleicher Meifterfchaft wie die Alten, und wo er erkannte, daß man mit
dem Meffer weiter kam, warf er ihn weg. So tat er mit allem,auch mit Werten,mit denen bis dahin
hohe geiftige Begriffe untrennbar verbunden waren,auch mitVorftellungen, die uns als unerfetzbar
gelten. Ein barbarifcher Revolutionär,aber notwendig. Er hat feinen Spruch fagen müffen, wäre
es auch nur, damit wir ihn widerlegen. Und den Spruch legten ihm höhere Mächte in den Mund.
Kaum einer der großenUmftürzler vorihmiftfo offenfichtlich Objekt einer Schickung derEpoche.
50
oder zu bleiben, alle die Dinge, die ihrem Inftinkte vorfchwebten, in einem rationellen Organis-
mus zu vereinigen. Diefe Grundbedingung brachte Courbet als Prämiffe mit. Er hätte überhaupt
nicht malen können, wenn nicht als Bauer, als Untertan der Erde, der Materie. Wenn nicht die
Konftellation der Malerei eine Inftinktgeftaltung, wie er iie betrieb, zuließ, wäre ihm jede Mög-
lichkeit zur Kunft verfagt geblieben.
Diefe Konftellation aber war feit den großen Holländern gegeben. Rembrandt hatte eine Form
gebracht, die mit einer nie vor ihm gefehenen Unmittelbarkeit den Gedanken geftaltete. Rubens
war mit anderen Mitteln zu einer ähnlich wirkfamen Einheit gelangt. Zwifchen beiden fuchten
viele große und kleine Leute ähnlicheWege. Daß ihnen allen diefe Einfachheit ihrer vollendeten
Äußerung erft nach unendlichen Experimenten gelang, folgte aus ihrem Künftlertum, aus ihrer
Lehre,ihrer Raffe,und dem alten Erfahrungsfatz,daß man unendlich viel lernen muß,um nachher
unendlich viel wieder zu vergeffen. Courbet ging es nicht anders; wir haben feine Experimente
gefunden, aber er war beffer daran dank feiner beifpiellos eindeutigen Anlage. Seine Liebe zu den
Alten war mehr das Verhältnis des Inftinktes zu Blutsverwandten, als pietätvolle Anbetung des
Jüngers.
Daß niemandem diefer Zufammenhang Courbets mit den größten Malern zu denken gab! Vielleicht
weil er fo felbftverftändlich war, weil die Menfchen Inftinkt-Regungen geringer fchätzen als
ringende Arbeit. Lemonnier nennt Courbet „ein Temperament in einem Mechanismus“. Die
Übertreibung läßt unüberfehbare Fähigkeiten des Künfllers außer Betracht. Mechanifch oder
niederer Art war in Courbet das Bewußtfein der Zufammenhänge feiner Äußerung mit dem
moralifchenoder überhaupt geiftigen Zentrum,d.h.dielnterpretation feines Inftinktes. Willkürlich
war, wenn er die Folgerung feiner fozialiftifchen Propaganda mitfeinenWerken zuließ, wobei mir
übrigens immer wieder Zweifel an dem Ernft feiner Erlaffe auffteigen. Ungeiftig war die mangel-
hafte Organifation feines Oeuvre. Sicher aber trieb kein Mechanismus den Meifter, die Alten
wieder zu entdecken und feine ftupende Gefchicklichkeit an hohen Vorbildern zu veredeln. Nichts
weniger als mechanifch war das Verhältnis Courbets zur Natur. In der Bahn Millets oder Corots
wäre er verunglückt. Millet kam von mäßigen Vorbildern her, Corot ging überhaupt nicht in die
Mufeen, wenigftens nicht, folange er jung war. Courbet, der Naturmenfch, lernte feine Land-
fchaften und feine Menfchen im Louvre. Und lernte fchlechterdings wie ein geborenes Genie. Er
nahm das Mittel der Alten zunächft wie es war, weil er es fo brauchen konnte, und modifizierte es
nachher auf die denkbar zweckdienlichfteWeife. Man braucht nur an die Eklektiker der englifchen
Schule nach Hogarth zu denken, um ein Maß für den Lehrling zu finden. Sein Mund war manch-
mal pietätlos, während der Manufacturer Reynolds gefalbte Reden hielt. Seine Hand, fein Auge
waren es nie. Doch ftand der Drang nach Ausfprache über feiner Liebe zu Hals und den Spaniern.
Er handhabte den Pinfel mit gleicher Meifterfchaft wie die Alten, und wo er erkannte, daß man mit
dem Meffer weiter kam, warf er ihn weg. So tat er mit allem,auch mit Werten,mit denen bis dahin
hohe geiftige Begriffe untrennbar verbunden waren,auch mitVorftellungen, die uns als unerfetzbar
gelten. Ein barbarifcher Revolutionär,aber notwendig. Er hat feinen Spruch fagen müffen, wäre
es auch nur, damit wir ihn widerlegen. Und den Spruch legten ihm höhere Mächte in den Mund.
Kaum einer der großenUmftürzler vorihmiftfo offenfichtlich Objekt einer Schickung derEpoche.
50