Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]
Das Kuppelgrab bei Menidi — Athen, 1880

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.1123#0061
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
— 55 —

sind sie ausserhalb derselben verbrannt und nur die Gebeine beigesetzt worden? Oder end.
lieh müssen wir annehmen, dass die Verbrennung in den Gräbern selbst vorgenommen
worden sei. Dies sind die drei Möglichkeiten, welche vorliegen, und unter denen wir zu
wählen haben.

Ich gestehe, dass ich nicht ohne Bedenken auf diese Frage heute eingehe. Ich darf nicht
verhehlen, dass die bisherigen Beobachtungen mir noch nicht ausreichend zu sein scheinen,
um auf Grund derselben ein erschöpfendes und gegen alle Einwände geschütztes Urtheil zu
fällen. Aber eine Frage formuliren und zur Discussion stellen heisst den ersten Schritt thun
zur Lösung. Damit mag es nöthigenfalls entschuldigt werden, wenn ich jetzt diejenige An-
sicht über die Sache, welche ich nach den vorliegenden Beobachtungen für die wahrschein-
lichste halten muss, bezeichne und auf die Consequenzen, die sich daran zu knüpfen
scheinen, hinweise.

Die Zeugen der Ausgrabungen auf der Burg zu Mykene versichern übereinstimmend,
dass die Leichen in den Gräbern selbst verbrannt worden seien. Als Beweis führen sie
ausser anderen Indicien von geringerem Gewichte an, dass die Gebeine deutliche Brandspu-
ren an sich trugen und in der natürlichen Lage des ausgestreckten menschlichen Körpers
vorgefunden wurden. Will man nicht die Richtigkeit dieser Zeugnisse anzweifeln, wozu ich
mich nicht für berechtigt halte, so muss man sagen, dass an der Begrab nissstatte auf der
Burg zu Mykene die Leichen innerhalb der Gräber verbrannt worden sind. Weniger zwin-
gend erscheinen die Angaben über die übrigen Gräber. Auch in diesen sind vielfach Brand-
spuren bemerkt worden. Darunter fanden sich auch angebrannte Knochenreste. Könnten
diese Spuren aber nicht auch von Todtenopfern herrühren, die innerhalb der Gräber voll-
zogen wurden? Es ist zuzugeben, dass dieser Punkt noch nicht vollständig aufgeklärt ist,
indess ist doch bei der sonstigen Uebereinstimmung die Präsumption dafür, dass, wenn auf
der Burg die Todten in den Gräbern verbrannt worden sind, dasselbe auch an den übrigen
verwandten Begräbnissstätten geschehen sei. Auch sind keine Spuren von Lagerstätten für
die Leichen gefunden worden, sowenig als bemerkt worden ist, dass die Gebeine in Gefässen
oder andern Behältern beigesetzt gewesen seien. Und so scheint denn das grössere Gewicht
der Wahrscheinlichkeitsgründe für die Ansicht zu sein, dass die Leichen in unversehrtem
Zustande in die Gräber eingeführt und erst hier den Flammen übergeben worden sind1.

Noch aber muss ich einen Einwand berücksichtigen, der gewiss Ihnen Allen auf der
Zunge schwebt. Die Gräber wie wir sie kennen sind ihrer ganzen Anlage nach nicht geeig-
net, um die Verbrennung der Todten darin vorzunehmen, sondern scheinen vielmehr ange-
legt zu sein, um die Leichen selbst aufzunehmen. Diese Bemerkung muss sich jedem auf-
drängen, der die Gräber aus eigener Anschauung oder auch nur durch Beschreibung kennt.
Um von den senkrechten Schachtgräbern ganz zu schweigen, auch die Kuppelgräber müssen
durch Mangel an Luft und Raum den Verb renn ungsprocess in fühlbarer Weise erschwert
haben. Sollen wir nun aber desshalb die Fundberichte und die darauf gegründete Ansicht
über den Bestattungsmodus verwerfen? Trotz der gemachten Beobachtungen annehmen, dass
die Leichen selbst beigesetzt oder wenigstens ausserhalb der Gräber verbrannt seien? Ich

1 Nach den neusten Ermittelungen scheinen in Gräbern hei Nauplia die Leichen deponirt gewesen zu sein,
s. den zu publieirenden Bericht. Die Skelette lagen ausgestreckt am Boden, Spuren einer Unterlage wurden
nicht bemerkt. Die Felsgräher bei Nauplia bilden, wie auch im Texte angedeutet ist, in mehrfacher Beziehung
unter der Masse verwandter Grabanlagen eine Gruppe für sich.
 
Annotationen