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Metzger, Wolfgang
Die humanistischen, Triviums- und Reformationshandschriften der Codices Palatini Latini in der Vatikanischen Bibliothek (Cod. Pal. Lat. 1461 - 1914) — Wiesbaden, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.3299#0021
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EINLEITUNG

Die Bibliotheca Palatina wuchs auch danach noch in erheblichem Umfang.14 Als för-
derlich für ihre Betreuung erwies sich auch die Berufung des Dichters Paulus Melis-
sus Schede als Bibliothekar im Jahre 1586. Melissus hatte schon früher in Heidelber-
ger Diensten gestanden, 1572 war dort seine im Auftrag Friedrichs III. entstandene
Psalmenübersetzung in deutschen Versen erschienen. Ihr sollte jedoch kein großer
Erfolg beschieden sein. Auch seine eigenwilligen Ansätze zu einer verbesserten deut-
schen Orthographie blieben Episode. Der Franke Paul Schede (1539-1602), der sich
selbst Paulus Melissus nannte, genoß weit über Deutschland hinaus hohes Ansehen
als Dichter. Melissus kümmerte sich intensiv um die Systematik der Bibliothek, wie
einige Bruchstücke seiner Korrespondenz in einem Briefsammeiband deutlich zeigen
(v.a. Pal.lat. 1902,27-28v). Auch erwähnte der Arzt und Humanist Johannes Posthi-
us in einem Brief an Joachim (IL) Camerarius vom 7. Juli 1586, daß Melissus sehr da-
mit beschäftigt sei, die Bibliothek zu ordnen.15 Er war auch durch seine internationa-
len Kontakte zu Dichtern und Gelehrten von Bedeutung für die Palatina, die im aus-
gehenden 16. Jahrhundert zu einem unschätzbaren und gut zugänglichen Reservoir
für die Angehörigen der europäischen ,respublica literaria' wurde. Melissus und vor
allem auch sein Nachfolger, der niederländische Gelehrte Jan Gruter (1560-1627),
trugen durch ihre weitreichenden Verbindungen viel dazu bei, die Heidelberger Bü-
cherschätze für den expandierenden Wissenschaftsbetrieb fruchtbar zu machen.

Jan Gruter, der letzte Bibliothekar der Palatina vor ihrem Abtransport nach Rom,
entstammte einer alten flämischen Familie aus Gent. Von Hause aus Jurist, war er als
Dichter wie als Philologe hervorgetreten, bevor er sich 1593, nach unsteten Jahren als
calvinistischer Glaubensflüchtling, in Heidelberg als Professor der Geschichte eta-
blieren konnte.16 Nach dem Tod des Paulus Melissus Schede im Jahr 1602 wurde er
Bibliothekar der Palatina. Der mittlerweile berühmte Philologe trat in seiner Heidel-
berger Zeit vor allem mit einer unglaublichen Vielzahl von Editionen zumeist antiker
lateinischer Literatur hervor. Zu ihrer Zeit zu recht hochgeschätzt war etwa seine Ci-
cero-Ausgabe.17 Sein langfristig wichtigstes Werk war jedoch die Sammlung antiker
Inschriften, wie schon die Nachdrucke des 17. und 18. Jahrhunderts belegen. Es fußt
vor allem auf den Vorarbeiten von Martin de Smet und Justus Joseph Scaliger. Gruter

14 Zur Entwicklung der Bibliotheca Palatina im 16. Jahrhundert siehe auch: Wolf gang Metzger,
Wissenschaft und Bibliophilie. Die Bibliotheca Palatina von Ludwig V. bis zu Johann Casimir,
in: Kostbarkeiten gesammelter Geschichte. Heidelberg und die Pfalz in Zeugnissen der Uni-
versitätsbibliothek, hrsg. von Armin Schlechter, Heidelberg 1999 (Schriften der Universitäts-
bibliothek Heidelberg 1), S. 19-37.

15 Klaus Karrer, Johannes Posthius (1537-1597). Verzeichnis seiner Briefe und Werke mit Re-
gesten und Posthius-Biographie, Wiesbaden 1993, S.274, Brief Nr. 185. Melissus kann erst seit
kurzem in Heidelberg gewesen sein, denn am 28. Mai hatte Posthius noch berichtet, man er-
warte seine Ankunft in Kürze (ebd. S.273, Brief Nr. 184).

16 Zu Gruter: Ruland; Smend; Peter Fuchs, in: NDB 7, S. 238-240. Zu seiner Tätigkeit als Bi-
bliothekar der Palatina vgl. auch: Elmar Mittler, Jan Gruter - Bibliothekar der Palatina
1602-1622, in: Bibl. Pal., S.440f. (Lit.).

17 Zu Gruters Cicero-Ausgabe siehe: Karl Halm, Über die Handschriften des Cicero in der
ehemaligen Heidelberger, jetzt Vatikanischen Bibliothek, in: Neue Jahrbücher für Philologie
und Pädagogik, Supplement 15, Heft 2 (1887), S. 165-178; Rudolf Kettemann, in: Bibl. Pal.,
S.71f.

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