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Meyer, Julius [Hrsg.]; Nagler, Georg Kaspar [Bearb.]
Allgemeines Künstler-Lexikon: unter Mitwirkung der namhaftesten Fachgelehrten des In- u. Auslandes (Band 2): Appiani - Domenico del Barbiere — Leipzig: Engelmann, 1878

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https://doi.org/10.11588/diglit.49923#0177
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Apelles.

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Peirene begegnete (Athen, xill. p. 558 c; Alci-
phron fr. 5). Da wir ferner von einem späteren
Aufenthalte in Athen nichts erfahren, so möchte
in diese frühere Zeit auch sein Zusammentreffen
mit Phryne in Eleusis gehören (s. u.), deren
Blüte wir wegen ihres Verhältnisses zu Praxite-
les doch wol vor Alexander ansetzen müssen. —
In seinem weiteren Leben tritt besonders sein
Verhältniss zu dem makedonischen Königshofe
in den Vordergrund; ob es sich direkt von Si-
kyon aus, etwa durch Vermittelung des ausAm-
phipolis gebürtigen Pamphilos anknüpfte, lässt
sich nicht beweisen. Jedenfalls bestand es schon
zu den Zeiten Philipp’s, gestaltete sich aber be-
sonders glänzend unter Alexander. Die be-
kannte, in verschiedenartigen Wendungen aus-
gedrückte Nachricht, dass Alexander sein Bild-
niss nur von Apelles habe wollen malen lassen,
dürfen wir wol in den modernen Begriff über-
setzen, dass er der erste uns bekannte »Hofma-
ler« eines griechischen Königs war; denn trotz
des angeblichen Verbotes gab es doch auch von
andern gleichzeitigen Künstlern gemalte Bild-
nisse des Alexander (Plin. vn. 93 u. 125; Horat.
epist. n. 1, 239; Cic. adfam. v. 12,13; Valer. Max.
vni. 11, ext. 2; Apul. florid. p. 117). Ueber
das intime Verhältniss zwischen Herrscher und
Künstler werden allerlei Anekdoten erzält: als
Alexander einst in ungeschickter Weise über
Malerei gesprochen, habe ihn Apelles bedeutet,
sich nicht vor den Jungen lächerlich zu machen,
die im Atelier Farben rieben. Wie wenig zu-
verlässig indessen dieses Geschichtchen ist, geht
daraus hervor, dass nach einer andern Version
statt des Alexander der ephesische Megabyzos
und in einer dritten statt des Apelles Zeuxis ge-
nannt wird (Plin. xxxv. 85; Plut. de adul. et
amico 15; de tranquill. animi 12; Aelian. v. h.
n. 2). Nicht besser steht es um die Glaubwür-
digkeit einer andern Erzälung: als Alexander
ein von Apelles gemaltes Pferd nicht genügend
bewundert, ein lebendiges Pferd aber dasselbe
angewiehert, habe sich der Künstler geäussert:
es scheint, dass das Pferd von Malerei mehr ver-
steht als du (Aelian v. h. n. 3 ; h. a. iv. 50). Denn
auch hier finden wir eine zweite Version: dass
Apelles seinem Gemälde durch das Wiehern den
Sieg über Konkurrenzgemälde verschafft habe :
Plin. xxxv. 95. Etwas beglaubigter erscheint die
Nachricht, dass Alexander dem Apelles eine sei-
ner Konkubinen, Pankaste oder Pakate, nackt
zu malen aufgetragen und, als der Künstler bei
diesem Anlass sich in sie verliebte, sie ihm ge-
schenkt habe, was als ein Zeichen der Selbst-
überwindung des Königs über Gebühr gepriesen
wird (Plin. xxxv. 86; Aelian v. h. xn. 34). —
Die Kriegszüge Alexander’s mochten den Anlass
bieten, dass auch Apelles sich wieder nach sei-
ner kleinasiatischen Heimat zurückwandte und,
wie es scheint, Ephesos zu seinem Hauptaufent-
haltsorte wählte. Wir begegnen ihm sodann bei
einem.Besuche des Protogenes in Rhodos, und

mehr zufällig von einem Sturme verschlagen am
Hofe des Ptolemaeus zu Alexandria. Dass sich
Werke von ihm in Smyrna, Samos, Rhodos,
Alexandria befanden, gestattet noch nicht die
Annahme eines längeren Aufenthaltes an allen
diesen Orten. Nur zu Kos scheint er dauernde
Beziehungen gehabt zu haben, da er einige Male
sogar Koer genannt wird. Handelte es sich da-
bei nicht um ein blosses Ehrenbürgerrecht, so
erlaubt vielleicht der Umstand, dass sein letztes
unvollendet gebliebenes Werk für Kos bestimmt
war, die Vermuthung, dass er dort die letzte
Zeit seines Lebens zubrachte.
Äusser dieseffsehr spärlichen Nachrichten gibt
es noch eine Reihe von anckdotenartigen Erzä-
1 ungen, welche sich nicht sowol mit den äusse-
ren Lebensumständen des Künstlers, als mit sei-
nem persönlichen Charakter beschäftigen. Wie
er mit Freimut dem Alexander gegenüber tritt,
so zeigt er sich auch als Kritiker. Der Anmas-
sung eines Schnellmalers begegnet er mit dem
Urtheil, dass man sich nicht über seine Schnel-
ligkeit, sondern vielmehr darüber wundern
müsse, dass er von solchem Zeuge in der gleichen
Zeit nicht noch mehr zu Stande gebracht habe:
Plut. de educat. puer. 9. Die »goldreiche« Helena
eines seiner Schüler, meinte er, habe dieser gold-
reich gemalt, weil er nicht im Stande gewesen
sie schön zu malen : Clem. Alex, protr. n. 12.
Er lässt sich von einem Schuster einen falsch-
gemalten Stiefel korrigiren, weist aber die Kri-
tik des Schenkels mit der sprichwörtlich gewor-
denen Redensart ab: Schuster bleibe beim Lei-
sten : Plin. xxxv. 84; Valer. Max. vni. 12, ext. 3.
Bedeutungsvoller erscheinen die Nachrichten,
dass er keinen Anstand nahm, die Verdienste
anderer Künstler, wie Melanthios und Asklepio-
doros, offen anzuerkennen, ja nach bestimmten
Richtungen ihnen den Vorrang vor sich selbst
einzuräumen (s.u.). Besonders aber war es Pro-
togenes, den er nicht nur laut und aufrichtig be-
wunderte, sondern auch durch seine Anerken-
nung aus materiell ungünstigen Verhältnissen zu
befreien strebte. Er soll das Gerücht verbreitet
haben, dass er beabsichtige die fertigen Bilder
des Protogenes für einen theueren Preis zu er-
werben, um sie als seine eigenen Arbeiten wie-
der zu verkaufen, und erst dadurch die Rhodier
veranlasst haben, bessere Preise zu zahlen: Plin.
xxxv. 87. So tritt uns aus diesen verschiedenen
Notizen ziemlich übereinstimmend das Bild eines
Mannes entgegen, welcher im Bewusstsein der
hohen Stellung, die er einnahm, doch ohne Hoch-
muth gerechte Kritik annimmt, der Anmassung
entgegentritt und fremdes Verdienst, wenn auch
in bestimmter Begrenzung, doch offen und ohne
Rückhalt anerkennt.
H. Werke.
So lehrreich es für die Entwickelungsge-
schichte des Künstlers sein würde, wenn wir im
Stande wären, seine Werke nach der Zeit ihrer
 
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