Apelles.
166
Entstehung aufzuführen, so verbietet doch die
Dürftigkeit der Nachrichten über sein Leben
sogar den Versuch einer solchen Anordnung,
und es bleibt nur eine Klassifizirung nach den
Gegenständen der Darstellung möglich.
Unter den Götterbildern nimmt die erste Stelle
die Aphrodite Anadyomene ein, wie der
Beiname besagt, die aus dem Meere aufsteigende
Göttin. Trotz zahlreicher Lobsprüche, welche ihre
Schönheit im Allgemeinen, wie im Besonderen
den sehnsüchtigen Ausdruck der Augen, den
schwellenden Busen preisen, erfahren wir über
die gesammte Auffassung der Gestalt zunächst
doch nur, dass sie mit den Händen die Feuchtig-
keit und den Schaum des Meeres aus ihren Haa-
ren ausdrückte : s. besonders die Epigramme in
den Anall. i. 231, 41 von Leonidas; n. 15, 32
von Antipater (danach Auson. ep. 106); n. 95,
13 von Archias; li. 500, 32 von Julian; ferner
Ovid. pont. iv. 1, 29; amor. i. 14, 35; trist, n.
527 ; Corn. Sev. Aetna v. 593. Sofern ein Epi-
gramm des Demokrit (Anall. n. 260), welches
sich in der Anthologie allerdings unter den auf
die Anadyomene bezüglichen findet, wirklich
dieses Gemälde schildert, muss die Göttin nur
mit der oberen Hälfte ihres Körpers den Wellen
entstiegen dargestellt gewesen sein ; wofür auch
die Betrachtung zu sprechen scheint, dass Apel-
les wol kaum schon so weit über Praxiteles hin-
aus gegangen sein möchte, um die ganze Gestalt
in völliger Naktheit darzustellen, ohne dass es
möglich gewesen, die Züchtigkeit durch die Be-
wegung der Hände zu wahren. Eine sichere
Entscheidung ist indessen nicht möglich. Ohne
Werth für die Kenntniss des Werkes sind die
Nachrichten, dass er die Pankaste als Modell
benutzt oder dass er das ganze Motiv von der
bei einem eleusinischen Feste im Meere baden-
den Phryne entlehnt habe: Plin. xxxv. 86;
Athen, xni. 590 f. Ursprünglich befand sich das
Bild im Asklepieion in Kos. Augustus versetzte
es unter Nachlass von hundert Talenten an den
Abgaben der Insel und mit Bezugnahme anf die
angebliche Abstammung seines Geschlechtes
von Aphrodite und Aeneas in den Tempel des
Caesar zu Rom. Da es am unteren Theile durch
Fäulniss gelitten und Niemand eine Herstellung
wagte, wurde es von Nero entfernt und durch
eine Kopie von der Hand des Dorotheos ersetzt
(Strabo xiv. 657; Plin. xxxv. 91). Doch berich-
tet Sueton (Vesp. 18) noch von einer Restaura-
tion unter Vespasian. Allgemeine Lobsprüche
bei Callimachus fragm. 254; Propert. in. 7, 11;
Ovid. art. amand. in. 401 ; Cic. de divin. i. 13,
23; ad Attic. n. 21, 4; orat. 2, 5; de nat. deor.
i. 27, 75; in Verr. iv. 60, 135.
Eine zweite ebenfalls für Kos bestimmte
Aphrodite, durch welche der Künstler den
Ruhm der ersten noch zu überbieten hoffte,
blieb wegen seines Todes unvollendet, und Nie-
mand wagte es zu dem vorzüglich durchgebilde-
ten Kopfe und oberen Theile der Brust das
Uebrige nach der vorhandenen Anlage auszu-
führen : Plin. xxxv. 92, 145; Cic. ad fam. i. 9,
15; de off. m. 2, 10. Da diese Anlage (prae-
scripta lineamenta) theilweise in Untermalung,
theilweise in blosser Umrisszeichnung bestehen
mochte, so sind die Worte des Petronius (Satyr.
84) : Apellis quam Graeci monoenemon appellant
etiam adoravi, wahrscheinlich auf diese Aphro-
dite zu beziehen, an welcher der eine Unter-
schenkel vielleicht noch nicht einmal untermalt
war. Der Beiname der »Einschenkeligen« diente
dann zugleich, um diese zweite Aphrodite von
der allgemein unter dem Namen Anadyomene
bekannten mit einem Worte bestimmt zu unter-
scheiden.
Nur kurz erwähnt werden eine bekleidete
Charis im Odeum zu Smyrna (Paus. ix. 35, 6)
und eine Tyche, die der Künstler sitzend dar-
stellte, »da das Glück doch nicht feststehe«:
Stob, floril. cv. 60; Liban. eephr. iv. 1069
Reiske.
Berühmter und nach dem Urtheile der feineren
Kenner sogar sein vorzüglichstes Werk war
seine Diana sacrificantium virginum choro
mixta, mit welcher er die homerischen Verse
übertroffen habe, welche diese Szene schildern:
Plin. xxxv. 96. Es können hier nur die Verse
der Odyssee vi. 102 ff. gemeint sein, obwol in
denselben nicht von einem Chore opfernder
Jungfrauen, sondern von Nymphen, die mit der
Göttin durch Wald und“Gebirge schweifen, die
Rede ist. Der Widerspruch löst sich, wenn nach
der schönen Vermuthung Dilthey’s (Rhein. Mus.
f. Philol. xxv. 321) in dem Worte sacrificantium
bei Plinius eine falsche Uebersetzung des grie-
chischen Huouaörv im Sinne von schwärmenden
thyiadischen Jungfrauen erkannt wird. Das
Bild stellte also den Jagdzug der Artemis und
ihres Gefolges dar und dürfte sich etwa mit der
Diana von Domenichino in der Galerie Borghese
zu Rom vergleichen lassen. In diesem Bilde
mochte sich das Reh befinden, dessen Aelian
nat. anim. epil. gedenkt.
Neben den Götterbildern erscheint bei Apelles
eine der älteren Kunst fremde Gattung von Dar-
stellungen symbolischer und allegorischer Ge-
stalten, wie B r o n t e , A s t r a p e und K e r a u n o -
b o l i a : Donner, Blitzleuchten und Blitzschleu-
derung: Plin. xxxv. 96. Dieselben erinnern
allerdings an ein von Philostratus (imagg. I. 14)
beschriebenes Bild des Todes der Semelc und der
Geburt des Dionysos, in welchem »der Donner
in dräuender Gestalt, der Blitz, wie er Strahlen
aus den Augen entsendet, und Platzfeuer vom
Himmel, welches das Königshaus ergriffen«, dar-
gestellt waren. Doch dürfen wir nicht wagen,
in diesem Bilde gerade das des Apelles wiederer-
kennen zu wollen. Eben so wenig ist für die Ver-
muthung, dass diese Personifikationen in dem
Bilde des blitztragenden Alexander ihre Stelle
gefunden, bis jetzt ein genügender Beweis ge-
liefert worden, wenn auch zuzugeben ist, dass
166
Entstehung aufzuführen, so verbietet doch die
Dürftigkeit der Nachrichten über sein Leben
sogar den Versuch einer solchen Anordnung,
und es bleibt nur eine Klassifizirung nach den
Gegenständen der Darstellung möglich.
Unter den Götterbildern nimmt die erste Stelle
die Aphrodite Anadyomene ein, wie der
Beiname besagt, die aus dem Meere aufsteigende
Göttin. Trotz zahlreicher Lobsprüche, welche ihre
Schönheit im Allgemeinen, wie im Besonderen
den sehnsüchtigen Ausdruck der Augen, den
schwellenden Busen preisen, erfahren wir über
die gesammte Auffassung der Gestalt zunächst
doch nur, dass sie mit den Händen die Feuchtig-
keit und den Schaum des Meeres aus ihren Haa-
ren ausdrückte : s. besonders die Epigramme in
den Anall. i. 231, 41 von Leonidas; n. 15, 32
von Antipater (danach Auson. ep. 106); n. 95,
13 von Archias; li. 500, 32 von Julian; ferner
Ovid. pont. iv. 1, 29; amor. i. 14, 35; trist, n.
527 ; Corn. Sev. Aetna v. 593. Sofern ein Epi-
gramm des Demokrit (Anall. n. 260), welches
sich in der Anthologie allerdings unter den auf
die Anadyomene bezüglichen findet, wirklich
dieses Gemälde schildert, muss die Göttin nur
mit der oberen Hälfte ihres Körpers den Wellen
entstiegen dargestellt gewesen sein ; wofür auch
die Betrachtung zu sprechen scheint, dass Apel-
les wol kaum schon so weit über Praxiteles hin-
aus gegangen sein möchte, um die ganze Gestalt
in völliger Naktheit darzustellen, ohne dass es
möglich gewesen, die Züchtigkeit durch die Be-
wegung der Hände zu wahren. Eine sichere
Entscheidung ist indessen nicht möglich. Ohne
Werth für die Kenntniss des Werkes sind die
Nachrichten, dass er die Pankaste als Modell
benutzt oder dass er das ganze Motiv von der
bei einem eleusinischen Feste im Meere baden-
den Phryne entlehnt habe: Plin. xxxv. 86;
Athen, xni. 590 f. Ursprünglich befand sich das
Bild im Asklepieion in Kos. Augustus versetzte
es unter Nachlass von hundert Talenten an den
Abgaben der Insel und mit Bezugnahme anf die
angebliche Abstammung seines Geschlechtes
von Aphrodite und Aeneas in den Tempel des
Caesar zu Rom. Da es am unteren Theile durch
Fäulniss gelitten und Niemand eine Herstellung
wagte, wurde es von Nero entfernt und durch
eine Kopie von der Hand des Dorotheos ersetzt
(Strabo xiv. 657; Plin. xxxv. 91). Doch berich-
tet Sueton (Vesp. 18) noch von einer Restaura-
tion unter Vespasian. Allgemeine Lobsprüche
bei Callimachus fragm. 254; Propert. in. 7, 11;
Ovid. art. amand. in. 401 ; Cic. de divin. i. 13,
23; ad Attic. n. 21, 4; orat. 2, 5; de nat. deor.
i. 27, 75; in Verr. iv. 60, 135.
Eine zweite ebenfalls für Kos bestimmte
Aphrodite, durch welche der Künstler den
Ruhm der ersten noch zu überbieten hoffte,
blieb wegen seines Todes unvollendet, und Nie-
mand wagte es zu dem vorzüglich durchgebilde-
ten Kopfe und oberen Theile der Brust das
Uebrige nach der vorhandenen Anlage auszu-
führen : Plin. xxxv. 92, 145; Cic. ad fam. i. 9,
15; de off. m. 2, 10. Da diese Anlage (prae-
scripta lineamenta) theilweise in Untermalung,
theilweise in blosser Umrisszeichnung bestehen
mochte, so sind die Worte des Petronius (Satyr.
84) : Apellis quam Graeci monoenemon appellant
etiam adoravi, wahrscheinlich auf diese Aphro-
dite zu beziehen, an welcher der eine Unter-
schenkel vielleicht noch nicht einmal untermalt
war. Der Beiname der »Einschenkeligen« diente
dann zugleich, um diese zweite Aphrodite von
der allgemein unter dem Namen Anadyomene
bekannten mit einem Worte bestimmt zu unter-
scheiden.
Nur kurz erwähnt werden eine bekleidete
Charis im Odeum zu Smyrna (Paus. ix. 35, 6)
und eine Tyche, die der Künstler sitzend dar-
stellte, »da das Glück doch nicht feststehe«:
Stob, floril. cv. 60; Liban. eephr. iv. 1069
Reiske.
Berühmter und nach dem Urtheile der feineren
Kenner sogar sein vorzüglichstes Werk war
seine Diana sacrificantium virginum choro
mixta, mit welcher er die homerischen Verse
übertroffen habe, welche diese Szene schildern:
Plin. xxxv. 96. Es können hier nur die Verse
der Odyssee vi. 102 ff. gemeint sein, obwol in
denselben nicht von einem Chore opfernder
Jungfrauen, sondern von Nymphen, die mit der
Göttin durch Wald und“Gebirge schweifen, die
Rede ist. Der Widerspruch löst sich, wenn nach
der schönen Vermuthung Dilthey’s (Rhein. Mus.
f. Philol. xxv. 321) in dem Worte sacrificantium
bei Plinius eine falsche Uebersetzung des grie-
chischen Huouaörv im Sinne von schwärmenden
thyiadischen Jungfrauen erkannt wird. Das
Bild stellte also den Jagdzug der Artemis und
ihres Gefolges dar und dürfte sich etwa mit der
Diana von Domenichino in der Galerie Borghese
zu Rom vergleichen lassen. In diesem Bilde
mochte sich das Reh befinden, dessen Aelian
nat. anim. epil. gedenkt.
Neben den Götterbildern erscheint bei Apelles
eine der älteren Kunst fremde Gattung von Dar-
stellungen symbolischer und allegorischer Ge-
stalten, wie B r o n t e , A s t r a p e und K e r a u n o -
b o l i a : Donner, Blitzleuchten und Blitzschleu-
derung: Plin. xxxv. 96. Dieselben erinnern
allerdings an ein von Philostratus (imagg. I. 14)
beschriebenes Bild des Todes der Semelc und der
Geburt des Dionysos, in welchem »der Donner
in dräuender Gestalt, der Blitz, wie er Strahlen
aus den Augen entsendet, und Platzfeuer vom
Himmel, welches das Königshaus ergriffen«, dar-
gestellt waren. Doch dürfen wir nicht wagen,
in diesem Bilde gerade das des Apelles wiederer-
kennen zu wollen. Eben so wenig ist für die Ver-
muthung, dass diese Personifikationen in dem
Bilde des blitztragenden Alexander ihre Stelle
gefunden, bis jetzt ein genügender Beweis ge-
liefert worden, wenn auch zuzugeben ist, dass