Warum eigentlich soll ein Teil der Natur — der
Mensch — zugrunde gehen?
Soweit ich es beurteilen kann, gehen doch die Tiere
nicht zugrunde.
Gewiß, der Mensch kann verzweifelt werden, wenn er
sieht, daß all die kulturellen und wissenschaftlichen Ent-
deckungen nicht ausschließlich seine Lebensverhältnisse
verbessern, sondern ihn auch in Schrecken versetzen und
sogar vernichten für das sogenannte Heil künftiger Ge-
schlechter.
Gewiß, die Menschheit kann in Verwirrung geraten,
wenn man ihr eine Weltanschauung oder sogar eine
neue Ideologie aufdringen will — nicht durch ihre mora-
lische Kraft, sondern durch bloße Kraftmeierei.
Gewiß, es betrübt den Menschen, wenn er sieht, daß
sich dieser oder jener seiner Mitmenschen unwürdig be-
nimmt.
Aber ich will über dieses Thema nicht weitersprechen.
Das würde zu weit führen.
CHAGALL UND SEINE KUNST
Günter Busch, Der Maler Marc Chagall und seine Kunst.
Universitas, 18. Jg., Heft 5, Mai 1963, S. 497
Unbeirrt und mit der Unbefangenheit eines Kindes,
als ein naiver Künstler im Sinne des Wortes, hat er
sein Riesenwerk getan, getrieben allein von dem ur-
menschlichen Drang zu fabulieren, für das Auge und mit
dem Auge, das heißt visionär, zu „dichten". Poesie in
Bildern ist seine Kunst, doch niemals gemalte Literatur.
„Was aber bleibet, stiften die Dichter." Versunkenes,
Verschüttetes und Verklungenes hebt er ans Licht und
bringt es neu zum Klingen für eine Welt und eine Zeit,
in deren alltäglicher Wirklichkeit die Wirklichkeiten des
Mythischen verdrängt zu werden pflegen.
Für eine Welt und eine Zeit, deren Tatsächlichkeiten
immer mehr zu Abstraktionen werden, stillt er den
Hunger nach greifbaren Bildern, nach Symbolen, ohne
31
Mensch — zugrunde gehen?
Soweit ich es beurteilen kann, gehen doch die Tiere
nicht zugrunde.
Gewiß, der Mensch kann verzweifelt werden, wenn er
sieht, daß all die kulturellen und wissenschaftlichen Ent-
deckungen nicht ausschließlich seine Lebensverhältnisse
verbessern, sondern ihn auch in Schrecken versetzen und
sogar vernichten für das sogenannte Heil künftiger Ge-
schlechter.
Gewiß, die Menschheit kann in Verwirrung geraten,
wenn man ihr eine Weltanschauung oder sogar eine
neue Ideologie aufdringen will — nicht durch ihre mora-
lische Kraft, sondern durch bloße Kraftmeierei.
Gewiß, es betrübt den Menschen, wenn er sieht, daß
sich dieser oder jener seiner Mitmenschen unwürdig be-
nimmt.
Aber ich will über dieses Thema nicht weitersprechen.
Das würde zu weit führen.
CHAGALL UND SEINE KUNST
Günter Busch, Der Maler Marc Chagall und seine Kunst.
Universitas, 18. Jg., Heft 5, Mai 1963, S. 497
Unbeirrt und mit der Unbefangenheit eines Kindes,
als ein naiver Künstler im Sinne des Wortes, hat er
sein Riesenwerk getan, getrieben allein von dem ur-
menschlichen Drang zu fabulieren, für das Auge und mit
dem Auge, das heißt visionär, zu „dichten". Poesie in
Bildern ist seine Kunst, doch niemals gemalte Literatur.
„Was aber bleibet, stiften die Dichter." Versunkenes,
Verschüttetes und Verklungenes hebt er ans Licht und
bringt es neu zum Klingen für eine Welt und eine Zeit,
in deren alltäglicher Wirklichkeit die Wirklichkeiten des
Mythischen verdrängt zu werden pflegen.
Für eine Welt und eine Zeit, deren Tatsächlichkeiten
immer mehr zu Abstraktionen werden, stillt er den
Hunger nach greifbaren Bildern, nach Symbolen, ohne
31