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Fößel, Amalie; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Die Königin im mittelalterlichen Reich: Herrschaftsausübung, Herrschaftsrechte, Handlungsspielräume — Mittelalter-Forschungen, Band 4: Stuttgart, 2000

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.26280#0091
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nen »Kanzlei« der Kaiserin oder zumindest einer ihr zur Verfügung stehenden eige-
nen Abteilung innerhalb der Hofkapelle auszugehen ist^T
Angesichts häufiger Trennungen der Herrscherpaare mußte diese auch in der
Lage sein, eigenständig zu arbeiten. Gerade die Tatsache, daß Königinnen oftmals
eigene Wege gingen oder getrennt vom König Aufenthalt nahmen^, läßt darauf
schließen, daß sie über einen gut organisierten und funktionierenden Hofstaat ver-
fügen mußten. Neben den persönlichen Bediensteten gehörten dazu auch Schreiber,
vielleicht sogar eine »Kanzlei«, die in ihrer jeweiligen Größenordnung dem politi-
schen Einfluß und Engagement einzelner Königinnen entsprochen haben wircPW
Die Bedeutung dieser Einrichtung zeigt sich nicht zuletzt darin, daß sich unter den
aus der Hofkapelle kommenden Bischöfen auch eine ganze Reihe von Kapellänen
der Königin befanden.
Der Ausbau einer eigenen Haus- und Hofhaltung der Königin setzte sich im
späten Mittelalter fort. Häufiger ist vom großen Gefolge oder Geleit der Königin die
Rede, ohne daß dabei jedoch in den Quellen konkrete Angaben zu Größe und Zu-
sammensetzung zu finden sind^T So besuchte im Sommer 1275 Königin Anna mit
»großem Geleit«, darunter ihre sechs Töchter und der Sohn Rudolf mit je eigenem
Hofstaat, das oberschwäbische Kloster Weingarten^, um wenig später mit König
Rudolf zu einer Zusammenkunft mit Papst Gregor X. nach Lausanne weiterzurei-
sen^T
Überliefert sind nur wenige, in ihrer Aussagekraft für die Größe des Hofstaates
allerdings kaum verwertbare Zahlen. Anna von Schweidnitz-Jauer brach Ende des
Jahres 1354 mit einem Gefolge von 1000 Personen nach Oberitalien auf, um von hier
an gemeinsam mit Karl IV. zur Kaiserkrönung nach Rom zu reiten. Doch die Zu-
sammensetzung ihres Gefolges, das überwiegend das begleitende Heer stellte, läßt
sich im einzelnen nicht rekonstruieren^. Gleiches gilt für Elisabeth von Pommern,

445 Vgl. FLECKENSTEIN, Hofkapelle hier Bd. 2 S. 265f. mit dem Hinweis auf die seltenen Erwähnun-
gen der Kapellane der Königin in den Quellen, was sich dadurch erkläre, daß diese auch als ca-
peUanz regz's bzw. z'mperaforz's auftreten und insofern als im Dienst der Königin stehend anzuse-
hen sind, aber wie alle anderen auch der einen Hofkapelle des Königs angehörten.
446 Zu den »eigenen Wegen« der Königin vgl. S. 111-116.
447 Zu den Aufgaben der Kanzlei gehörte auch die Siegelführung. Bekannt ist das Siegel der Köni-
gin Mathilde von England mit der Umschrift Madzz'Mz's Dez graiz'a Rozrzaziorum regz'zia als das erste
nachweisbare Siegel einer römisch-deutschen Königin, in: Die Siegel der deutschen Kaiser und
Könige von 751 bis 1806, hg. von Otto PossE, 5 Bde. (1909-1913) hier Bd.l, Tafel 19 Nr. 4. Fried-
rich I. gab zwar für seine Gemahlin Beatrix ein Siegel in Auftrag, ein solches hat sich aber nicht
erhalten; ebd. Bd. 5, S. 25. Seit Konstanze von Sizilien kennen wir dann die Siegel der Königin-
nen; vgl. die Abbildungen in Bd. 1 für Kaiserin Konstanze (Tafel 24 Nr. 1); Irene von Byzanz
(24,5); Maria von Brabant (26); Margarete von Österreich (32,1-2); Elisabeth von Wittelsbach
(33,1-2); Beatrix von Brabant (34,7); Elisabeth von Braunschweig (35,5); Anna von Hohenberg
(42,6-7); Imagina von Limburg (43,4-6); Elisabeth von Görz-Tirol (45,5-7); Beatrix von Glogau
(52,1-3); Margarete von Hennegau (52,3-8); Elisabeth von Aragon (53,9) etc.
448 Zum Problem der »gewohnheitsrechtlich-schriftlosen« Ordnung des Hofes im gesamten Mittel-
alter vgl. Peter MoRAW, Die königliche Verwaltung, in: Deutsche Verwaitungsgeschichte. Bd. 1:
Vom Spätmittelalter bis zum Ende des Reiches (1983) S. 32f.
449 Reg. Habs. I. 583.
450 Reg. Habs. I. 588.
451 Eine Kostenrechnung der Hofhaltung der Königin Margarete für den Italienzug in der Zeit vom
13. Oktober 1310 bis zum 14. Mai 1311 in der Höhe von durchschnittlich 71 1/2 Gulden pro Tag
bei BRÜHL, Fodrum S. 639f.

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