Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Vogtherr, Thomas; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Reichsabteien der Benediktiner und das Königtum im hohen Mittelalter: (900 - 1125) — Mittelalter-Forschungen, Band 5: Stuttgart, 2000

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.30326#0035
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Zum Begriff der Reichs- bzw. Königsklöster

23

Quedlinburg und Gandersheim sowie die früheren Stiftsgründungen Essen und
Herford^ seit den Zeiten Ottos II. ausdrücklich als Vorbilder für die Lebensform an-
derer Klöster urkundlich genannt werden.
So führt bereits die Analyse des urkundlichen Sprachgebrauchs zu der merk-
würdig erscheinenden Feststellung, daß die rechtliche Qualität der Königsklöster in
Mayers Sinn oftmals und in recht divergierenden Formulierungen beschrieben
wird, daß aber die alten karolingischen Reichsklöster solche Beschreibungen nicht
erfahren.
Diese Beobachtung verstärkt die Bedenken dagegen, in einer systematisieren-
den Beschreibung, wie sie Mayer vorgenommen hat, einen für das Verständnis der
hochmittelalterlichen Reichskirchengeschichte förderlichen Ansatz zu sehen. Im
Sinne einer pragmatischen, der Zeit vor dem ausgehenden 11. Jahrhundert weit
eher gerecht werdenden Auffassung soll deswegen in dieser Arbeit die Mayersche
Trennung von Reichs- und Königsklöstern nicht aufgenommen werdenA Statt des-
sen wird synonym von Reichsabteien oder Reichsklöstern die Rede sein, womit un-
terschiedslos die Reichs- und Königsklöster im Sinne Mayers gemeint sind.
Damit wird ein mit Mayers bis heute einflußreichem Werk »Fürsten und Staat«
erreichter Erkenntnisfortschritt, so mag es scheinen, ohne Not ersatzlos aufgegeben.
Jedoch ist nicht nur zu fragen, ob und inwieweit die Verwendung des Mayerschen
Begriffsinstrumentariums der mittelalterlichen Rechtswirklichkeit adäquat ist, son-
dern es ist darüber hinaus auch offen, ob die Scheidung zwischen Reichs- und Kö-
nigsklöstern in seinem Sinne Erkenntnismöglichkeiten eröffnet, die ohne dieses Be-
griffspaar unerfüllt blieben.
Auch in dieser Beziehung scheint Skepsis angebracht. Wer verschiedene Arten
dem Reich zugeordneter Klöster im Sinne einer systematischen Abgrenzung ver-
schiedener Klassen voneinander abgrenzen will, kann sich sicherlich auf die Noüüh
& senhü'o monasfen'orMm Ludwigs des Frommen berufen, in der gerade dieses gelei-
stet werden sollte. Freilich ging es darin vorderhand nicht um unterschiedliche
Qualitäten rechtlicher Beziehungen der Klöster zum Reich, sondern um unter-
schiedliche Leistungen der Abteien für die Könige. Für die nachkarolingische Zeit,
vermutlich schon für die Zeit nach Ludwig dem Frommen, darf man überdies nicht
außer acht lassen, daß derartige Klassifizierungen nicht nur nicht erneuert, sondern
offenkundig sogar aufgegeben wurden. Die Reichsklöster scheinen hier - von der
hervorgehobenen Bedeutung der vorbildlichen Männer- und Frauenabteien abge-

23 MGH DD O I 206 (Herford, Gandersheim; 960 f. Hilwartshausen), O H 67 (Quedlinburg, Essen,
Gandersheim; 973 f. Elten), 190 (Quedlinburg, Gandersheim; 979 f. Alsleben), 225 (Gandersheim,
Quedlinburg; 980 f. Drübeck), O III 32 (Gandersheim, Quedlinburg, Essen; 987 f. Vilich), 235 (Es-
sen, Quedlinburg, Gandersheim; 996 f. Elten), 326 (Quedlinburg, Essen, Gandersheim; 999 f.
Gernrode), 363 (Essen, Quedlinburg; 1000 f. Oedingen), H II40 (Quedlinburg, Gandersheim, Es-
sen; 1003 f. Vilich), 44 (Quedlinburg, Gandersheim 1003 f. Alsleben), 82 (Gandersheim, Quedlin-
burg; 1004 f. Drübeck), 87 (Gandersheim, Quedlinburg, Herford; 1004 f. Fischbeck) u.ö.; vgl. wei-
tere Belege bei HÖRGER, Fürstäbtissinnen, S. 207f.
24 Kritik an dieser Position MAYERS auch schon bei: BRÜHL, Fodrum, Teil 1, S. 197f.; GRAFF, Kaiser-
urkunde, S. 69-72; AUER, Kriegsdienst, Teil 2, S. 60f.; KöLZER, Studien, S. 39 Anm. 52, sowie die
weitere dort angegebene Literatur.
 
Annotationen