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DtMttna regnt <i;'scor^M - Das entzweite Reich (1077-1125)
päpstlichen Legaten ein, um zu verhindern, daß der Verdacht der Simonie aufkom-
men könnte. Und außerdem - so hielten sie den Fürsten vor - solle Rudolf nicht der
Herrscher einzelner, sondern aller sein; entsprechend müsse es auch genügen, wenn
er allen verspreche, ein guter und gerechter König zu sein^L So wurden lediglich
allgemeine Bedingungen festgehalten, vor allem die kirchenrechtlich korrekte Ver-
leihung von Bistümern und der Vorrang des Wahlrechts der Fürsten vor dem Erb-
recht. Erst nachdem Rudolf diese akzeptiert hatte, wurde er nach Mainz geführt, wo
er von Erzbischof Siegfried seine Weihe erhielt''.
Die Ereignisse von Forchheim haben in der Forschung stets große Beachtung
gefunden. Insbesondere die Frage der >Rechtsförmlichkeit< der Wahl und der
Aspekt des Wahlrechts, das hier gegen das Erbrecht durchgesetzt worden sei, wur-
den immer wieder herausgehoben'''. In Anbetracht des Umstands, daß die Erhe-
bung Rudolfs - auch von päpstlicher Seite'^ - keineswegs unangefochten blieb,
scheint es jedoch ganz natürlich, daß die dem Rheinfeldener wohlgesonnenen Quel-
len immer wieder die Rechtmäßigkeit der Wahl betonten und besonders bemüht
waren, mit einem idealen Wahlverlauf die bestehenden Rechtsunsicherheiten zu
kompensieren. Und so bedeutsam der Gesichtspunkt des Wahlgedankens für die
weitere Ausformung der Königswahl auch gewesen sein mag, die Beobachtungen
Hagen Kellers scheinen doch noch weitreichender zu sein, »daß in den Vorgängen
selbst [sc. den Wahlakten] nur eine tieferhegende Entwicklung zutage tritt, die das
Verhältnis von König, Fürsten und Reich insgesamt betrifft«'A Denn hier kam das
neugewonnene Selbstverständnis der Fürsten als eigentliche Träger des Reichs erst-
mals deutlich zum Ausdruck. Daß die Fürsten die Verantwortung für das Reich
übernehmen konnten und wollten, hatte sich insbesondere während der >Königslo-
sen Tage< gezeigt. In diesem Bewußtsein der Verantwortung entschieden sie nun in
letzter Konsequenz über die Leitung des Reichs, saßen über den bisherigen König
zu Gericht, urteilten über seine Vergehen und seine Unwürdigkeit und übertrugen
das Herrscheramt schließlich demjenigen, den sie für den Geeignetsten hielten'".
Das entscheidende Kriterium bei der Wahl eines Kandidaten war nun seine Ido-
170 Brunos Buch vom Sachsenkrieg, c. 91, S. 85: QMod hhdh'gews aposfohcz legafMS /ihn proH'&Mh et
osfen&üs eM77i non singMlorMm, sgd MmhersorMm /ore regem, Mt MMzhersis UstMm se promitteret, satts
esse perM&Mit. Ait eitam, st eo modo, ^MO coeptam /berat, promissiom'&MS singi/lahm praemissis ettgere-
tMr, ipsa eiectto non smcera, seb haeresis stmontacae ueneno pottata UberetMr. Vgl. dazu KELLER,
Schwäbische Herzoge, S. 149: »Hier klingt, wenn auch formuliert von den päpstlichen Legaten,
die Vorstellung der Mntnersttas an, d. h. die Entwicklung des Reiches zum Verband derer, die ihm
angehören, wird erstmals auch begrifflich faßbar.« Zur Gewohnheit von Zusagen an einzelne
Wähler vgl. HAIDER, Wahlversprechungen, hier insbes. S. 33-40.
171 Brunos Buch vom Sachsenkrieg, c. 91, S. 85f. Zum Ablauf der Ereignisse in Forchheim und der
Bewertung der einzelnen Quellen vgl. SCHLESINGER, Die Wahl Rudolfs.
172 Vgl. dazu zuletzt REULiNG, Die Kur, S. 104-122, und - mit einem Überblick über die ältere For-
schung, insbes. der Mitteis-Rörig-Debatte - SCHMIDT, Königswahl, S. 5-33.
173 Siehe hierzu den in Brunos Buch vom Sachsenkrieg überlieferten Briefwechsel zwischen Gre-
gor VII. und den Sachsen c. 108, S. 97-99; c. 110, S. 99-101; cc. 112-115, S. 101-109; cc. 118-120,
S. 111-114. Vgl. dazu auch GiESE, Der Stamm der Sachsen, S. 52-56.
174 KELLER, Schwäbische Herzoge, S. 129f.
175 Vgl. KELLER, ebd., S. 139: »Wir stehen damit in einer Entwicklung, die das Reich zu einem auch
ohne den König handlungsfähigen Verband werden läßt, weil in diesem Falle die Fürsten in ih-
rer Gesamtheit die Verantwortung für das Ganze übernehmen können.«
DtMttna regnt <i;'scor^M - Das entzweite Reich (1077-1125)
päpstlichen Legaten ein, um zu verhindern, daß der Verdacht der Simonie aufkom-
men könnte. Und außerdem - so hielten sie den Fürsten vor - solle Rudolf nicht der
Herrscher einzelner, sondern aller sein; entsprechend müsse es auch genügen, wenn
er allen verspreche, ein guter und gerechter König zu sein^L So wurden lediglich
allgemeine Bedingungen festgehalten, vor allem die kirchenrechtlich korrekte Ver-
leihung von Bistümern und der Vorrang des Wahlrechts der Fürsten vor dem Erb-
recht. Erst nachdem Rudolf diese akzeptiert hatte, wurde er nach Mainz geführt, wo
er von Erzbischof Siegfried seine Weihe erhielt''.
Die Ereignisse von Forchheim haben in der Forschung stets große Beachtung
gefunden. Insbesondere die Frage der >Rechtsförmlichkeit< der Wahl und der
Aspekt des Wahlrechts, das hier gegen das Erbrecht durchgesetzt worden sei, wur-
den immer wieder herausgehoben'''. In Anbetracht des Umstands, daß die Erhe-
bung Rudolfs - auch von päpstlicher Seite'^ - keineswegs unangefochten blieb,
scheint es jedoch ganz natürlich, daß die dem Rheinfeldener wohlgesonnenen Quel-
len immer wieder die Rechtmäßigkeit der Wahl betonten und besonders bemüht
waren, mit einem idealen Wahlverlauf die bestehenden Rechtsunsicherheiten zu
kompensieren. Und so bedeutsam der Gesichtspunkt des Wahlgedankens für die
weitere Ausformung der Königswahl auch gewesen sein mag, die Beobachtungen
Hagen Kellers scheinen doch noch weitreichender zu sein, »daß in den Vorgängen
selbst [sc. den Wahlakten] nur eine tieferhegende Entwicklung zutage tritt, die das
Verhältnis von König, Fürsten und Reich insgesamt betrifft«'A Denn hier kam das
neugewonnene Selbstverständnis der Fürsten als eigentliche Träger des Reichs erst-
mals deutlich zum Ausdruck. Daß die Fürsten die Verantwortung für das Reich
übernehmen konnten und wollten, hatte sich insbesondere während der >Königslo-
sen Tage< gezeigt. In diesem Bewußtsein der Verantwortung entschieden sie nun in
letzter Konsequenz über die Leitung des Reichs, saßen über den bisherigen König
zu Gericht, urteilten über seine Vergehen und seine Unwürdigkeit und übertrugen
das Herrscheramt schließlich demjenigen, den sie für den Geeignetsten hielten'".
Das entscheidende Kriterium bei der Wahl eines Kandidaten war nun seine Ido-
170 Brunos Buch vom Sachsenkrieg, c. 91, S. 85: QMod hhdh'gews aposfohcz legafMS /ihn proH'&Mh et
osfen&üs eM77i non singMlorMm, sgd MmhersorMm /ore regem, Mt MMzhersis UstMm se promitteret, satts
esse perM&Mit. Ait eitam, st eo modo, ^MO coeptam /berat, promissiom'&MS singi/lahm praemissis ettgere-
tMr, ipsa eiectto non smcera, seb haeresis stmontacae ueneno pottata UberetMr. Vgl. dazu KELLER,
Schwäbische Herzoge, S. 149: »Hier klingt, wenn auch formuliert von den päpstlichen Legaten,
die Vorstellung der Mntnersttas an, d. h. die Entwicklung des Reiches zum Verband derer, die ihm
angehören, wird erstmals auch begrifflich faßbar.« Zur Gewohnheit von Zusagen an einzelne
Wähler vgl. HAIDER, Wahlversprechungen, hier insbes. S. 33-40.
171 Brunos Buch vom Sachsenkrieg, c. 91, S. 85f. Zum Ablauf der Ereignisse in Forchheim und der
Bewertung der einzelnen Quellen vgl. SCHLESINGER, Die Wahl Rudolfs.
172 Vgl. dazu zuletzt REULiNG, Die Kur, S. 104-122, und - mit einem Überblick über die ältere For-
schung, insbes. der Mitteis-Rörig-Debatte - SCHMIDT, Königswahl, S. 5-33.
173 Siehe hierzu den in Brunos Buch vom Sachsenkrieg überlieferten Briefwechsel zwischen Gre-
gor VII. und den Sachsen c. 108, S. 97-99; c. 110, S. 99-101; cc. 112-115, S. 101-109; cc. 118-120,
S. 111-114. Vgl. dazu auch GiESE, Der Stamm der Sachsen, S. 52-56.
174 KELLER, Schwäbische Herzoge, S. 129f.
175 Vgl. KELLER, ebd., S. 139: »Wir stehen damit in einer Entwicklung, die das Reich zu einem auch
ohne den König handlungsfähigen Verband werden läßt, weil in diesem Falle die Fürsten in ih-
rer Gesamtheit die Verantwortung für das Ganze übernehmen können.«