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Schlick, Jutta; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
König, Fürsten und Reich: (1056 - 1159) ; Herrschaftsverständnis im Wandel — Mittelalter-Forschungen, Band 7: Stuttgart, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.34721#0057
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Die Fürsten sind das Reich - aber wer ist der König?

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neität"U Damit wurde aber zugleich die Stellung der Fürsten gestärkt, die über
diese Eignung entschieden. Wichtig war dabei vor allem, daß sie dies alles gemein-
schaftlich taten, was auch von den Quellen - insbesondere den sächsischen - im-
mer wieder hervorgehoben wird^k Wie die Sachsen ihren Widerstand mit der Ge-
meinschaft und dem Handeln für das allgemeine Wohl gerechtfertigt hatten, so
wurde nun die Wahl mit diesen Argumenten legitimiert. Aber nicht nur nach außen
wirkte der Gedanke der rechtsetzenden Gemeinschaft, er schuf ebenso nach innen
ein Identitäts- und Gruppenbewußtsein der handelnden Fürsten. Dabei spielte es
keine Rolle, daß in Forchheim nur eine Minderheit der Großen versammelt war'^,
denn die Entwicklung der fürstlichen Handlungsgemeinschaft war ohnehin nicht
mehr aufzuhalten und lag letztlich genauso im Interesse derjenigen, die nicht an der
Wahl teilgenommen hatten.
Mit der Frage der Idoneität der Königsanwärter trat zwangsläufig auch die Idee
des Idealkönigs in den Vordergrund, an der die Kandidaten gemessen wurden.
Doch welche Eigenschaften waren es, die einen guten König auszeichneten? Und
woran sollte man erkennen, ob ein Kandidat diese Eigenschaften besaß, ob er den
Anforderungen gewachsen sein würde, die das Königsamt ihm abverlangte? Die
Tatsache, daß sich die Quellen um eine idealtypische Darstellung der Wahl und der
Herrscherpersönlichkeit bemühen, eröffnet uns einen Einblick in die Vorstellungen
der in Forchheim Versammelten.
Schon am Negativbeispiel Heinrichs IV. ließ sich das Bild eines Königs ent-
wickeln, wie er nicht sein sollte: tyrannisch, ungerecht und unbarmherzig, die Frei-
heit seiner Untertanen bedrohend, den Status der Großen mißachtend, anmaßend
und parteiisch, die bestehende Ordnung gefährdend'^. Rudolf von Rheinfelden
stellt nun das positive Gegenbild dazu dar""'. Ihm wurden all die Eigenschaften zu-

176 Diese hatte zwar schon immer eine Rolie gespielt, war jedoch bei Wahlen, die sich im Rahmen
einer Dynastie bewegten, nie so entscheidend gewesen. Es wurde gewissermaßen vorausge-
setzt, daß sich die Eignung qua Geblütsheiligkeit tradierte. Erst als das Erbprinzip in Frage ge-
stellt wurde, gewann die Idoneität eigenständige Bedeutung. Vgl. KELLER, Schwäbische Her-
zöge, S. 149.
177 Lampert, Annalen, ad a. 1077, S. 276: ... c o m m M Ms elech'o...; Berthold, Chronik, ad a. 1077, S.
292:... sei ahüm s;h: pro :Fo ehgcre et conshtMere M n a nrn; t e r &sh'naFarh; Brunos Buch vom Sach-
senkrieg, c. 91, S. 91: ...Roholfam, cUcem SaeuorMm, rege s;'H Saxones et Saeu: coMcorrüter ele-
gerant. Vgl. dazu schon oben S. 22.
178 Vgl. KELLER, Schwäbische Herzoge, S. 148: »Obwohl die Erhebung Rudolfs von Rheinfelden als
eine Parteiwahl gelten muß, zu der eine relativ kleine Gruppe zusammengekommen war, hat
man sie nicht nur aus der Verantwortung für das Ganze, für Reich und Königtum gerechtfer-
tigt, sondern auch im formalen Ablauf darauf Wert gelegt, sie als den gesamtheitlichen Akt er-
scheinen zu lassen, der ihr allein Gültigkeit verschaffen konnte.«
179 Vgl. oben S. 19f. Selbstverständlich wurde das Bild Heinrichs IV. von den salierfreundlichen
Quellen, denen er als »Repräsentant des allein von Gott verliehenen irdischen Herrscheramtes«
galt, ganz anders gezeichnet; vgl. STRUVE, Heinrich IV., S. 323f. (Zitat) mit Anm. 24, S. 335-342.
180 Eine Zusammenstellung der für das Bild Rudolfs einschlägigen Quellenstellen bietet STRUVE,
Das Bild des Gegenkönigs Rudolf von Schwaben. - Grundsätzlich ist bei einem Vergleich der
beiden Kontrahenten natürlich auch ihr unterschiedlicher Hintergrund zu berücksichtigen:
Heinrich war ganz anderen Traditionen und Rechtsvorstellungen verhaftet als Rudolf, der nicht
in einer königlichen Kontinuität stand. Die Erörterung, wie >frei< oder >unfrei< der Handlungs-
spielraum der beiden gewesen ist, würde hier allerdings zu weit führen.
 
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