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Schlick, Jutta; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
König, Fürsten und Reich: (1056 - 1159) ; Herrschaftsverständnis im Wandel — Mittelalter-Forschungen, Band 7: Stuttgart, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.34721#0023
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Das entzweite Reich (1077-1125)

Die Formierung der fürstlichen Opposition
gegen Heinrich IV.

Die Regierungszeit Heinrichs IV. wurde einerseits von den Auseinandersetzungen
mit dem Reformpapsttum geprägt, die im sogenannten Investiturstreit und der
Exkommunikation des Saliers kulminierten, und andererseits von den Konflikten
im Reich selbst, die ihren Höhepunkt 1077 in der Absetzung Heinrichs und der
Wahl eines >Gegen<-Königs durch die fürstliche Opposition fanden. Beide Vor-
gänge stürzten das Reich in eine Krise von bisher nicht gekanntem Ausmaß, mit
der sich schon die Zeitgenossen intensiv auseinandersetzten. Eine Fülle theoreti-
scher Schriften und historischer Darstellungen zeugt von der Verunsicherung, die
der Zusammenbruch der gewohnten Weltordnung nach sich zog. Die Sakralität
und Legitimationsbasis des Königtums wurden diskutiert, das Verhältnis von
geistlicher und weltlicher Macht mußte neu definiert werden^, und in letzter Kon-

1 So bei Manegold von Lautenbach, Ad Gebehardum liber, S. 365, der das Königtum als ein rein funk-
tional bestimmtes Amt definiert (c. XXIX), dessen Inhaber durch ein pacf MM mit den Untertanen ver-
bunden ist. Diese erheben den König aufgrund seiner herrscherlichen Tugenden, damit er ein reg-
HM??ÜMsfMm führt. Verfehlt der König seine Pflicht, verletzt er das bindende pacf MM, so verliert er Amt
und Würde, und die Untertanen sind von allen Bindungen an ihn gelöst (c. XXX). Im Gegensatz zu
dieser vom kirchlichen Amtsgedanken geprägten Sicht vertreten Wenrich von Trier in seinen Epi-
stola, (Petrus) Crassus in seiner Defensio Heinrici regis und Wido von Osnabrück im Liber de con-
troversia inter Hildebrandum et Heinricum imperatorem die traditionelle Auffassung eines gött-
lich legitimierten Königtums. Nach Wido liegt die Königswürde in der in Salbung und Weihe
begründeten Sakralität (S. 467), und wie die übrigen Sakramente können Salbung und Weihe nicht
wieder rückgängig gemacht werden. Ähnlich argumentiert auch Wenrich von Trier: Der Herrscher
kann nicht einfach entlassen und aus getauscht werden, denn er hat seine Macht von Gott, seine Stel-
lung in Welt und Gesellschaft hält das regMMM zusammen (S. 289). Ebenso betont (Petrus) Crassus,
daß die Übergabe der Herrschaft an den König nicht widerrufen werden kann, wenn ihm das Volk
nach der Lex Regia seine Gewalt einmal übertragen hat (S. 444f.). Bei ihm tritt noch das Argument
des schon im römischen Recht verankerten Erbrechts hinzu, das zugleich auf göttlichen Ratschluß
gründet (S. 437). Damit wird sowohl die Anciennität des Königtums und seiner Legitimation
hervorgehoben als auch die Unabhängigkeit der Legitimationsgrundlage von der römischen Kir-
che betont. Vgl. dazu grundlegend MiRBT, Publizistik; ferner MiLLOTAT, Transpersonale Staatsvor-
stellungen; KÖLMEL, Juditio rationis; STRUVE, Stellung des Königtums; DERS., Eideslösung; FUHR-
MANN, Manegold; TÖPFER, Entsakralisierung; WEiNFURTBR, Herrschaft und Reich.
2 Z.B. in den Schriften Hugos von Fleury, De regia potestate et sacerdotali dignitate, im Liber de
unitate ecclesiae conservanda, vor allem aber in den Schriften aus den Kanzleien Gregors VII. und
Heinrichs IV. selbst. Während der Salier zunächst das traditionelle Zusammenwirken von geist-
licher und weltlicher Macht in der einen ecclcsü wiederherstellen will und dabei mit der gelasia-
nischen Zweigewaltenlehre argumentiert (ERDMANN, Briefe Heinrichs IV., Nr. 13 und 17), geht
der Liber de unitate schon einen Schritt weiter und grenzt die beiden Gewalten von ihrer Funk-
tion her voneinander ab: Die Kirche habe sich auf die Sorge für die geistlichen Dinge zu be-
schränken, während der König für die irdische Ordnung verantwortlich sei. Dennoch bleiben
beide aufeinander angewiesen (II, c. 15). Literatur wie Anm. 1.
 
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