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Schlick, Jutta; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
König, Fürsten und Reich: (1056 - 1159) ; Herrschaftsverständnis im Wandel — Mittelalter-Forschungen, Band 7: Stuttgart, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.34721#0024
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DiMhna regU lüscoT'tüa - Das entzweite Reich (1077-1125)

sequenz ging es auch um die Frage, wer das Reich repräsentiere, wenn sich der
Herrscher als unwürdig erwiest Die Transpersonalität des Reichs, die unter Kon-
rad II. erstmals postuliert wurdet gewann nun eine andere Qualität, denn es ging
nicht mehr nur um den Fortbestand des Reichs und seiner Rechte in herrscherlo-
ser Zeih. Die Erkenntnis, daß auch der König dem Reich schaden konntet mußte
vielmehr dazu führen, daß das Verhältnis zwischen Herrscher, Fürsten und Reich
grundsätzlich neu bestimmt wurde. Und in einer Zeit, in der das Selbstbewußt-
sein der Großen wuchs, ihre Forderung nach Beteiligung an der Herrschaft immer
lauter wurde und sie letztlich die Verantwortung für das Reich auch faktisch über-
nahmen, lag der Gedanke nicht mehr fern, daß die Fürsten die »Häupter des Staa-
tes« seiend
Die Entwicklung dieses fürstlichen Selbstverständnisses zog sich jedoch über
mehrere Jahrzehnte hin. So sind die Anfänge bereits in der Regentschaftszeit der
Kaiserin Agnes für ihren noch minderjährigen Sohn zu suchen, ja, man kann so-
gar bis in die Spätphase der Regierung Heinrichs III. zurückgehenh Nach Her-
mann von Reichenau beklagten sich die Fürsten schon damals, daß der Herrscher

3 Diese Problematik klingt bei Lampert in seinen Annalen, ad a. 1073, S. 161 an: Et profecfo oicissH
auan'cia, pTTuaü's^MO Mü'Haü'bMS saUfem postbabMissef, nisi pn'ncipes regni, cm&n's legafioTiibas
faü'gaü ab Ins obs7&ba77fM7', imamH; consitio 0M77i atfon'reMtM?- et non tarn SMppi:'ca7Ho ^aam co77!7ni-
7!aw&7 et foTTOTHo ab seTRoitia &Aicere7ü. Der König vernachlässigt hier die Interessen des Reichs zu-
gunsten seines eigenen Nutzens; die Fürsten sind es, die auf die Wahrung der Reichsinteressen
dringen und ihn sogar unter Druck setzen! Vgl. auch Lampert, Annalen, ad a. 1073, S. 165: Cam-
7?ag toto tnWao co77S7Ü'a co7itMÜ'sse?ü et, facto opns esset, 00777777^777 soBichtKÜho peTpaheT^t, Eaec po-
st?*e7ao caactis seateatia coaaeatt, at 7*epro&afo rege ah'a7a, (?Mi gaberaaado regao iüoaeas esset, ehgereat.
4 Wipo, Gesta Chuonradi, c. 7, S. 30.
5 Vgl. dazu BEUMANN, Transpersonale Staatsvorstellungen, S. 201, der den engen Zusammenhang
zwischen Wipos Überlegungen zur Transpersonalität des Reichs und dem Dynastiewechsel nach
dem Tod Heinrichs II. betont.
6 Ein Tenor, der sich durch das gesamte Werk Lamperts zieht; vgl. zugespitzt die Aussagen ad a.
1073, S. 151: ... at uiü'ssiTHOS EoTwtacs, ^aoraTa coas7'ü'o se^ae 7*077777110 paMtcaar precipttcTa &üissef ...;
S. 168: ... aec siaereat rc7a paMicaTa aaias bo777i77is tgaaota atf cxtrc7aa7a aastitateai ciepoT'iT'e; ad a.
1076, S. 257: Ipso teTapore RiMoifas dax SaeooraTa, Welf dax BaioarioraaY, Be7*foMMS dax Careatiaora7a,
AdaDero episcopas W7'7*cibM7*g077sis, HeriTaaaaas episcopas Metteasis et ata' pieri^ae prlacipes coaoeai-
eates ia aaa?a coasiita co77fe7*obant, :'a taatis caiaTaitatibas, ^albas res paMica oexabatar, ^aH facto opas
esset. Rege7a post beiiaTM Saxoaica7a eaa&ra per?aaaere, 77MI faerat; atbii ea7a de ieuttate, de cradeiitate,
de pessiTaoraTa bo7a7'aa7a co77oicfM acfaTaüiaritate 7aatasse.
7 Ekkehard IV ad a. 1121, S. 352: ...capita rei pabiice ... Vgl. WEiNFURTER, Herrschaft und Reich,
S.139-155.
8 Vgl. allgemein BosHOF, Das Reich in der Krise, insbes. S. 266f.; PRINZ, Kaiser Heinrich III., S. 533;
WEiNFURTER, Herrschaft und Reich, S. 89-96. - ERKBNS, Fürstliche Opposition, S. 369, betont vor
allem die Rolle der Reichskirche als stabilisierendes Element der Königsherrschaft, die sich zu
Ende der Regierungszeit Heinrichs III. zu wandeln begann und damit die Krise einleitete: »Die-
ser Ausfall der Geistlichkeit als stabiles Moment des ottonisch-salischen Herrschaftssystems be-
deutete die eigentliche Krise des Reichs. Die Anfänge dieser Entwicklung reichen in die Regie-
rungszeit Heinrichs IIP zurück, während der ansatzweise die königliche Kirchenhoheit
theoretisch in Zweifel gezogen wurde und zu deren Ende die inneren und äußeren Widerstände
gegen die salische Herrschaft so angewachsen waren, daß die durch den Tod Heinrichs III. frei-
gesetzten Kräfte eine völlige Änderung der überkommenen herrschaftlichen und sozialen Ord-
nungen bewirkten.«
 
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