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Schlick, Jutta; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
König, Fürsten und Reich: (1056 - 1159) ; Herrschaftsverständnis im Wandel — Mittelalter-Forschungen, Band 7: Stuttgart, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.34721#0199
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Die Fürsten als Träger des Reichs und Garanten der Ordnung

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und sakralen Überhöhung ihres Königtums, selbst wenn sie andererseits nach
neuen Möglichkeiten der Einbindung der Großen suchten. Insbesondere nachdem
das Wormser Konkordat den Wert der fürstlichen Vermittlung gezeigt hatte,
bemühten sie sich, ihrer Forderung nach angemessener Beteiligung an der Herr-
schaft, die nicht mehr zurückzuweisen war, gerecht zu werden. Doch erst Fried-
rich I. gelang schließlich eine Synthese dieser beiden Ansätze, indem die Sakralität
auf das Reich übertragen wurde, mit dem die Fürsten sich identifizieren konnten.
Damit war die Grundlage für eine neue Handlungsgemeinschaft von König und
Fürsten geschaffen, und der Gedanke des fzowor z'mperü löste die Idee der conconü'a
rcgni ei ecciesiae endgültig ab.

Die Fürsten als Träger des Reichs und Garanten der Ordnung
Im Unterschied zum Königtum erlebte das Fürstentum in unserem Untersu-
chungszeitraum eine dynamische, vorwärtsgewandte Entwicklung, sowohl was
sein Selbstverständnis als auch seine Stellung im Reichsgefüge betraf. Dabei ziehen
sich zwei Aspekte wie ein roter Faden durch die Jahrzehnte hindurch: das Bewußt-
sein der Verantwortung für das Reich und die Idee der fürstlichen Handlungsge-
meinschaft als Legitimationsgrundlage. Erstmals anläßlich der Entführung des jun-
gen Heinrich IV. bei Kaiserswerth 1062 wird ein Verantwortungsgefühl der Fürsten
für das Reich greifbar: Aus Sorge um das Reichsganze sollte der minderjährige Kö-
nig der Obhut seiner Mutter entzogen werden, damit er zu einem guten Herrscher
heranwachsen konnte. Was unter einem >guten Herrschen zu verstehen war, ergibt
sich aus den ernsthaften Bedenken der Großen, Heinrich IV. könnte in die Fuß-
spuren seines Vaters treten und den ihnen zustehenden Anteil an der Herrschaft
verwehren. Damit hätte er in ihren Augen gegen die rechte Ordnung im Reich ver-
stoßen". Zeitgleich mit der Idee der fürstlichen Verantwortung für das Reich ent-
stand in dieser konkreten Situation der Gedanke der Handlungsgemeinschaft,
greifbar in dem Modell der wechselnden Zuständigkeit für den unmündigen König
und die Reichsgeschäfte. Gemeinsam wollten die Großen ihre Aufgabe erfüllen, die
Verantwortung nicht einem einzelnen überlassen^.
Die Zeit der Sachsenkriege gab der >Fürstenbewegung< neue Impulse^. Sowohl
die Idee des gemeinschaftlichen Handelns als Legitimationsbasis als auch der Leit-
gedanke der fürstlichen Verantwortung für das commums comniodMW, das allge-
meine Wohl, wurden von den Sachsen in der Auseinandersetzung mit Heinrich IV.
propagiert. Zugleich förderte die beständige Mißachtung ihres /lotior durch den Kö-
nig das Selbstbewußtsein und die Gruppenidentität der Fürsten. Mit erhöhter Sen-
sibilität reagierten sie auf Einschränkungen ihrer Rechte und auf ungerechte Über-
griffe des Königs auf ihre Stellung. So wurde unter anderem der Gedanke des
Widerstandsrechts gegen einen ungerechten Herrscher konkretisiert^. Schließlich

22 Vgl. dazu oben S. 14.
23 Vgl. oben S. 15. Dazu auch WEiNFURTER, Herrschaft und Reich, S. 108.
24 Vgl. dazu ausführlich GiESE, Der Stamm der Sachsen; FENSKE, Adelsopposition.
25 Dazu immer noch grundlegend KERN, Gottesgnadentum und Widerstandsrecht, insbes.
S. 168-173. Zur >Causa< Heinrichs IV. vgl. jetzt SucHAN, Königsherrschaft.
 
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