Ministerialität
409
oberrheinischen Städte und insbesondere für Straßburg zwischen einem patriciat
noble und einem patriciat bourgois^k Dreher fand auch Ministerialenfamilien im
Patriziat von Ravensburg^. Schon Friedrich von Klocke hatte für die führenden
Familien der Stadt Soest offenbar als erster den Begriff „Stadtadel" verwendete
und auch Gerd Wunder meinte für die Reichsstadt Hall, daß dieser Terminus an-
gebracht sePA
Letztlich blieben diese Einzeluntersuchungen allerdings im Rahmen des her-
kömmlichen Bildes. An der grundsätzlichen Unterscheidung zwischen Ministeria-
len und Bürgern wurde kaum gerüttelt. Ministeriale erschienen als Exponenten
des Stadtherren, die allenfalls in der Frühphase eine gewisse Rolle gespielt hätten;
die czücs H mzlz'igs der späteren Zeit wurden als reich gewordene Bürger betrachtet,
die die Ritterwürde erwarben. Als Philippe Dollinger im Jahre 1955 seinen zu-
sammenfassenden Überblick über die sozialen Gruppierungen in den deutschen
Städten des Mittelalters verfaßte, bemerkte er im Hinblick auf die Entstehung der
Stadtgemeinde explizit: „Die Ministerialen schließlich haben im Gegensatz zu
dem, was man früher geglaubt hat, fast überall nur eine geringe Rolle gespielt"^.
Als dieser Aufsatz im Jahre 1978 wieder abgedruckt wurde, sah sich Dollinger
allerdings dazu veranlaßt, von einer Rehabilitierung der älteren Sicht zu spre-
chen^. Die Einschätzung der Bedeutung der Ministerialität für die Stadt änderte
sich, als sich das Gesamtbild der mittelalterlichen Stadt im Rahmen des Perspekti-
venwechsels in der Mediävistik der dreißiger und vierziger Jahre fundamental zu
wandeln begann. Als eine Folge der Grundsatzkritik an den älteren Arbeiten über
Staat und Verfassung im Mittelalter entdeckte man nun auch die „Zeitgebunden-
heit" der älteren Stadtgeschichtsforschung und warf ihr die Verklärung der städti-
schen Vergangenheit im Sinne des Liberalismus des 19. Jahrhunderts vor. Die
bürgerliche Welt dieser Zeit habe sich in der mittelalterlichen Stadt ein Vorbild
gesucht und sei daher zu einer falschen Einschätzung gelangt^.
In diesem veränderten Gesamtbild fanden nun auch die städtischen Ministeria-
len einen anderen Platz. Konsequenterweise hat mit Walter Schlesinger ein Prota-
gonist der neuen Sicht schon 1953 eine stärkere Berücksichtigung der Ministeriali-
tät für die Geschichte der Stadtentstehung gefordert; für Würzburg wies er selbst
schon früh auf die Rolle der Ministerialen hin-A Eine neue Perspektive wiesen
dann personengeschichtliche Untersuchungen, die mit den Arbeiten von Nehlsen
271 Vgl. DOLLINGER, Patriciat; DERS., Patriziat.
272 Vgl. DREHER, Patriziat, S. 83f.
273 Vgl. KLOCKE, Patriziat, S. 6,16.
274 Vgl. WUNDER, Adel.
275 DOLLtNGER, Städte, S. 281f.
276 Vgl. DOLLINGER, Städte, S. 300.
277 Vgl. dazu nur JOHANEK, Stadt; HAVERKAMP, Frühbürgerliche Welt; KROESCHELL, Stadtrecht, S. 298.
Zur Sache vgl. auch SCHREINER, Kommunebewegung, bes. S. 166.
278 Vgl. SCHLESINGER, Verfassungsgeschichte, S. 34f.; DERS., Frühformen, S. 346f.
409
oberrheinischen Städte und insbesondere für Straßburg zwischen einem patriciat
noble und einem patriciat bourgois^k Dreher fand auch Ministerialenfamilien im
Patriziat von Ravensburg^. Schon Friedrich von Klocke hatte für die führenden
Familien der Stadt Soest offenbar als erster den Begriff „Stadtadel" verwendete
und auch Gerd Wunder meinte für die Reichsstadt Hall, daß dieser Terminus an-
gebracht sePA
Letztlich blieben diese Einzeluntersuchungen allerdings im Rahmen des her-
kömmlichen Bildes. An der grundsätzlichen Unterscheidung zwischen Ministeria-
len und Bürgern wurde kaum gerüttelt. Ministeriale erschienen als Exponenten
des Stadtherren, die allenfalls in der Frühphase eine gewisse Rolle gespielt hätten;
die czücs H mzlz'igs der späteren Zeit wurden als reich gewordene Bürger betrachtet,
die die Ritterwürde erwarben. Als Philippe Dollinger im Jahre 1955 seinen zu-
sammenfassenden Überblick über die sozialen Gruppierungen in den deutschen
Städten des Mittelalters verfaßte, bemerkte er im Hinblick auf die Entstehung der
Stadtgemeinde explizit: „Die Ministerialen schließlich haben im Gegensatz zu
dem, was man früher geglaubt hat, fast überall nur eine geringe Rolle gespielt"^.
Als dieser Aufsatz im Jahre 1978 wieder abgedruckt wurde, sah sich Dollinger
allerdings dazu veranlaßt, von einer Rehabilitierung der älteren Sicht zu spre-
chen^. Die Einschätzung der Bedeutung der Ministerialität für die Stadt änderte
sich, als sich das Gesamtbild der mittelalterlichen Stadt im Rahmen des Perspekti-
venwechsels in der Mediävistik der dreißiger und vierziger Jahre fundamental zu
wandeln begann. Als eine Folge der Grundsatzkritik an den älteren Arbeiten über
Staat und Verfassung im Mittelalter entdeckte man nun auch die „Zeitgebunden-
heit" der älteren Stadtgeschichtsforschung und warf ihr die Verklärung der städti-
schen Vergangenheit im Sinne des Liberalismus des 19. Jahrhunderts vor. Die
bürgerliche Welt dieser Zeit habe sich in der mittelalterlichen Stadt ein Vorbild
gesucht und sei daher zu einer falschen Einschätzung gelangt^.
In diesem veränderten Gesamtbild fanden nun auch die städtischen Ministeria-
len einen anderen Platz. Konsequenterweise hat mit Walter Schlesinger ein Prota-
gonist der neuen Sicht schon 1953 eine stärkere Berücksichtigung der Ministeriali-
tät für die Geschichte der Stadtentstehung gefordert; für Würzburg wies er selbst
schon früh auf die Rolle der Ministerialen hin-A Eine neue Perspektive wiesen
dann personengeschichtliche Untersuchungen, die mit den Arbeiten von Nehlsen
271 Vgl. DOLLINGER, Patriciat; DERS., Patriziat.
272 Vgl. DREHER, Patriziat, S. 83f.
273 Vgl. KLOCKE, Patriziat, S. 6,16.
274 Vgl. WUNDER, Adel.
275 DOLLtNGER, Städte, S. 281f.
276 Vgl. DOLLINGER, Städte, S. 300.
277 Vgl. dazu nur JOHANEK, Stadt; HAVERKAMP, Frühbürgerliche Welt; KROESCHELL, Stadtrecht, S. 298.
Zur Sache vgl. auch SCHREINER, Kommunebewegung, bes. S. 166.
278 Vgl. SCHLESINGER, Verfassungsgeschichte, S. 34f.; DERS., Frühformen, S. 346f.