410
Kapitel 9
über Freiburg, Roslanowski über Bonn, Andernach und Koblenz sowie Friederichs
über die Reichsstädte in der Wetterau begannen-^, Bahnbrechend aber waren die
prosopographischen Studien von Knut Schulz über Trier, Worms, Köln, auf deren
Basis Schulz Thesen mit weiter reichendem Geltungsanspruch formulierte^". Die
Untersuchung einzelner Personen und Familien zeigte einen engen Zusammen-
hang zwischen Ministerialität und Bürgertum. Schon die Begriffe mz'wisUnüü's und
czüz's schlossen einander nicht aus. Die Ministerialen spielten nicht nur eine bedeu-
tende Rolle bei der Entstehung der städtischen Kommunen, sondern darüber hin-
aus auch in anderen Bereichen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens,
etwa im Handel oder im Geldgeschäft, wie Schulz anhand der Analyse der Mün-
zerhausgenossenschaften zeigen konnte. Damit setzte er sich deutlich von älteren
Arbeiten ab, die im Dienstrecht der unfreien Ministerialen ein „schlechteres" Recht
als das Recht der freien Bürger gesehen hatten. Das Dienstrecht habe, ganz im
Gegenteil, eine Sonderstellung gesichert. Das Vorliegen eines Dienstverhältnisses
war nach Schulz auch keineswegs immer nur Indikator für einen althergebrachten
Status. Andere Bürger traten in die Ministerialität ein oder knüpften zumindest ein
quasi-ministeriales Dienstverhältnis mit dem Stadtherrn, um in den Genuß diver-
ser Vorrechte zu kommen und Zugang zum Rat zu finden. Die hervorgehobenen
Funktionen der Ministerialen blieben weitgehend unverändert, auch als der Stadt-
herr aus seiner Position verdrängt worden war. Die Bildung der Kommune er-
scheint in dieser Perspektive eher als ein Emanzipationsprozeß der Ministerialität
vom Stadtherrn.
Unterhalb der ritterlich lebenden Spitzengruppe der Stadtministerialität ent-
deckte Schulz weitere aus der Ministerialität hervorgegangene cz'ucs, die im Dien-
ste des Stadtherrn standen, allerdings nicht als Ritter auftraten. Da die ursprüngli-
che rechtliche Sonderstellung weiter nachwirkte, schlug er vor, für diese Personen
von einer „bürgerlichen Ministerialität" zu sprechen.
Im Rahmen eines 1971 veranstalteten Symposiums wurden diese Thesen auch
für andere Städte bestätigt, so etwa von Helga Mosbacher für StraßburgW Ta-
deusz Roslanowski stellte seine damit kompatiblen Untersuchungen über die
Städte am nördlichen Mittelrhein erstmals in deutscher Sprache voU"k Allerdings
wurde in diesem Rahmen auch grundsätzlicher Widerspruch gegen manche
Sichtweisen von Schulz laut. Josef Fleckenstein lehnte den Begriff der bürgerlichen
Ministerialität ab, da er eine wesentliche Zäsur in der Entwicklung des Bürger-
tums vernachlässige. Die Ablösung des Begriffs mz'Us durch czüz's zeige eine Verän-
derung auch in der Sache. Dem Aufgehen dieser ehemaligen Ministerialen im
279 Vgl. NEHLSEN, Cives; HOFMANN, Nobiles; FRIEDERICHS, Herkunft; ROSLANOWSKI, Recherches.
280 Vgl. v.a. K. SCHULZ, Ministerialität und Bürgertum; DERS., Ministerialität als Problem; DERS., Ministe-
rialität in rheinischen Bischofsstädten; ferner DERS., Patriziergesellschaften; DERS., Richerzeche.
281 Vgl. MOSBACHER, Ministerialität; DIES., Kammerhandwerk.
282 Vgl. ROSLANOWSKI, Anteil.
Kapitel 9
über Freiburg, Roslanowski über Bonn, Andernach und Koblenz sowie Friederichs
über die Reichsstädte in der Wetterau begannen-^, Bahnbrechend aber waren die
prosopographischen Studien von Knut Schulz über Trier, Worms, Köln, auf deren
Basis Schulz Thesen mit weiter reichendem Geltungsanspruch formulierte^". Die
Untersuchung einzelner Personen und Familien zeigte einen engen Zusammen-
hang zwischen Ministerialität und Bürgertum. Schon die Begriffe mz'wisUnüü's und
czüz's schlossen einander nicht aus. Die Ministerialen spielten nicht nur eine bedeu-
tende Rolle bei der Entstehung der städtischen Kommunen, sondern darüber hin-
aus auch in anderen Bereichen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens,
etwa im Handel oder im Geldgeschäft, wie Schulz anhand der Analyse der Mün-
zerhausgenossenschaften zeigen konnte. Damit setzte er sich deutlich von älteren
Arbeiten ab, die im Dienstrecht der unfreien Ministerialen ein „schlechteres" Recht
als das Recht der freien Bürger gesehen hatten. Das Dienstrecht habe, ganz im
Gegenteil, eine Sonderstellung gesichert. Das Vorliegen eines Dienstverhältnisses
war nach Schulz auch keineswegs immer nur Indikator für einen althergebrachten
Status. Andere Bürger traten in die Ministerialität ein oder knüpften zumindest ein
quasi-ministeriales Dienstverhältnis mit dem Stadtherrn, um in den Genuß diver-
ser Vorrechte zu kommen und Zugang zum Rat zu finden. Die hervorgehobenen
Funktionen der Ministerialen blieben weitgehend unverändert, auch als der Stadt-
herr aus seiner Position verdrängt worden war. Die Bildung der Kommune er-
scheint in dieser Perspektive eher als ein Emanzipationsprozeß der Ministerialität
vom Stadtherrn.
Unterhalb der ritterlich lebenden Spitzengruppe der Stadtministerialität ent-
deckte Schulz weitere aus der Ministerialität hervorgegangene cz'ucs, die im Dien-
ste des Stadtherrn standen, allerdings nicht als Ritter auftraten. Da die ursprüngli-
che rechtliche Sonderstellung weiter nachwirkte, schlug er vor, für diese Personen
von einer „bürgerlichen Ministerialität" zu sprechen.
Im Rahmen eines 1971 veranstalteten Symposiums wurden diese Thesen auch
für andere Städte bestätigt, so etwa von Helga Mosbacher für StraßburgW Ta-
deusz Roslanowski stellte seine damit kompatiblen Untersuchungen über die
Städte am nördlichen Mittelrhein erstmals in deutscher Sprache voU"k Allerdings
wurde in diesem Rahmen auch grundsätzlicher Widerspruch gegen manche
Sichtweisen von Schulz laut. Josef Fleckenstein lehnte den Begriff der bürgerlichen
Ministerialität ab, da er eine wesentliche Zäsur in der Entwicklung des Bürger-
tums vernachlässige. Die Ablösung des Begriffs mz'Us durch czüz's zeige eine Verän-
derung auch in der Sache. Dem Aufgehen dieser ehemaligen Ministerialen im
279 Vgl. NEHLSEN, Cives; HOFMANN, Nobiles; FRIEDERICHS, Herkunft; ROSLANOWSKI, Recherches.
280 Vgl. v.a. K. SCHULZ, Ministerialität und Bürgertum; DERS., Ministerialität als Problem; DERS., Ministe-
rialität in rheinischen Bischofsstädten; ferner DERS., Patriziergesellschaften; DERS., Richerzeche.
281 Vgl. MOSBACHER, Ministerialität; DIES., Kammerhandwerk.
282 Vgl. ROSLANOWSKI, Anteil.