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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0206

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Kapitel 3

3.4. Der Wandel der Kriegsverfassung und die Entstehung des
Lehnswesens
Das Lehnswesen gilt als Verknüpfung und Systematisierung älterer Rechtsformen
die Herrschaft und Dienst auf verschiedenen Ebenen miteinander regelten. Als
Grundlage lassen sich zwei Wurzeln hervorheben: die gallorömische Vasallität
und die germanische Gefolgschaft. Die Gewichtung der Elemente schwankt und
ist, wie nicht anders zu erwarten, von Gesamtbildern und damit von der Kontinui-
tätsproblematik abhängig^. Während etwa Walter Schlesinger die germanische
Kontinuität hervorhob und die Gefolgschaft als entscheidende Wurzel erachtete"-,
wies Alfons Dopsch auf die römischen Wurzeln hin, nicht ohne zu bemerken, daß
es sich beim Lehnswesen in einem weiteren Sinn im Grunde um ein universalge-
schichtliches und damit sogar vorgermanisches Institut gehandelt habe"L Karl
Ferdinand Werner führt das Lehnswesen über die Gefolgschaft direkt auf die Wc-
cgiDn'z der römischen Zeit zurück"^. In rechtlicher Hinsicht entsteht nach klassi-
scher Lehre das Lehnswesen durch die Verbindung von persönlicher Verpflich-
tung und der materiellen Ausstattung durch ein Lehen. Die Mehrheit der For-
schung geht davon aus, daß dieser Zusammenhang in der Zeit nach Karl dem
Großen auch in den Quellen nachzuweisen ist"h
Die konkreten Auswirkungen des Lehnrechts für die „StaatsVerfassung" wur-
den im 19. Jahrhundert nicht zuletzt vor dem Hintergrund diskutiert, ob man im
Lehnswesen einen Teil des Privat- oder des Staatsrechts sehen sollte. Generell
allerdings wurde die Durchsetzung des Lehnswesens als ein Zeichen des Verfalls
von Staatlichkeit betrachtet. Je mehr man an diese Staatlichkeit glaubte, desto ne-
gativer wurde das Lehnswesen als Rechtsinstitut gewertet. Dies gilt natürlich be-
sonders für die von Roth und Sohm repräsentierte Richtung der Rechtsgeschichte,
die von einem wohlorganisierten Staat in der Merowingerzeit ausging"L Daß Paul
Roth das Lehnswesen explizit als verhaßte und als „unvollkommenste" Staatsform
betrachtete, wurde bereits erwähnt"?. Der Übergang von der merowingischen
Verfassung, die durch einen erblichen König gekennzeichnet gewesen sei, der
Beamte einsetzte, zum Feudalismus habe wegen der Änderung der Wehrverfas-
sung in karolingischer Zeit begonnen. Sohm und Roth sprachen dezidiert von

111 Zur älteren Diskussion um diese Frage vgl. nur BRUNNER/SCHWERIN, Rechtsgeschichte, S. 349f.
112 Vgl. SCHLESINGER, Herrschaft, S. 39.
113 Vgl. DOPSCH, Grundlagen, Bd. 2, S. 302-305.
114 Vgl. K.F. WERNER, Naissance, S. 421-430.
115 Vgl. die klassischen Arbeiten von MITTEIS, Lehnrecht, S. 132f., 146; GANSHOF, Lehnswesen, S. 44.
116 Vgl. ROTH, Feudalität.
117 ROTH, Geschichte, S. 106.
 
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