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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0165

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Die Merowingerzeit

161

Schott hervorgehoben wordenes Johannes Fried hat die These vertreten, daß das
Trennungsdenken in Ständen eine Übernahme römischen Gedankenguts sei, das
den Germanen unbekannt gewesen sei. Ob es die soziale Wirklichkeit widerspie-
gele, müsse erst ergründet werden^. Dieser Gedanke ist von Gabriele von Olberg
im Rahmen ihrer Bezeichnungsforschungen unterstützt worden^. Olberg wies
darauf hin, daß die sozialen Begriffe der Leges kontextabhängig seien; das mehr-
malige Auftreten eines Wortes innerhalb verschiedener Leges, aber auch innerhalb
desselben Legestextes dürfe nicht dazu verleiten, in jedem Fall von der gleichen
Bedeutung auszugehen^. Für Reinhard Schneider wirft dies die Frage auf, ob sich
das fränkische Denken römischrechtlicher Begrifflichkeit bediente, „ohne sie zu
füllen, vielleicht ohne sie zu verstehen'^. Es liegt auf der Hand, daß diese
Argumentation genutzt werden kann, um trotz der Begrifflichkeit der Leges an
der These von der Existenz eines Adels auch in der Frühzeit festzuhalten. Wilhelm
Störmer jedenfalls ist der Meinung, daß die Dichotomie frei-unfrei der Leges rö-
mischer Herkunft sei und nicht der „pluriformen Wirklichkeit" entspreche^.
Da demnach Geltung, Intention und Aussagekraft schriftlich fixierter Rechts-
normen unklar sind und man heute generell der Ansicht zuneigt, daß rechtliche
Kriterien nur mit Einschränkungen Aufschluß über die Sozialstruktur geben, blei-
ben die zentralen Fragen offen. Mit einiger Vorsicht läßt sich allerdings behaupten,
daß der größte Teil der heutigen Forschung das Fehlen eines Adels bei den Wer-
geidbestimmungen der Lex Salica nicht als hinreichenden Indikator für die These
betrachtet, es habe im frühen Frankenreich keinen Adel gegeben. Von einem
Rechtsstand allerdings wollen nur die wenigsten Historiker sprechen.

2.3.8. Adelsheil und Adelsheilige
Die Problembereiche Adelsheil und Adelsheiliger verweisen auf einen umfassen-
den Kontext: die Legitimation adliger Herrschaft. In der älteren Forschung spielten
in diesen Zusammenhängen Heilsvorstellungen noch kaum eine Rolle. In klassi-
scher Sicht beruhte nichtkönigliche Herrschaftsausübung zunächst auf der Wahl
durch das Volk und in fränkischer Zeit auf einem königlichen Auftrag. Da auf der
Basis der Theorie von den autogenen Rechten Adliger diese Annahme nicht mehr
überzeugte, lag die Suche nach anderen Faktoren nahe.

361 Vgl. SCHOTT, Freiheit, S. 92ff.
362 Vgl. FRIED, Vorbemerkungen.
363 Vgl. OLBERG, Bezeichnungen, S. 246.
364 Vgl. OLBERG, Freie, S. 265; DIES., Bezeichnungen, S. 46.
365 R. SCHNEIDER, Frankenreich, S. 126.
366 Vgl. STÜRMER, Prozeß, S. 168f.; ferner DERS., Früher Adel, S. 24.
 
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