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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0362

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358

Kapitel 8

eine ältere Betrachtungsweise sind. Die gesamte Überlieferung sei „durch das
geistliche Sieb gegangen". Die Vorstellungen von der Standespflicht der ?roMgs zu
besonders hohen Leistungen aller Art mochten nach Kienast im weltlichen Adel
umgelaufen sein, obwohl man nicht eine einzige Stimme aus Laienmund anführen
könne. Wenn man sich aber das Handeln betrachte, müsse man die Vorstellung
der praktischen Relevanz adliger Tugendlehren eher bezweifeln: „Zwischen An-
spruch und Wirklichkeit gähnt eine abgrundtiefe Kluft. Gräßliche Greuel, barbari-
sche Wildheit, in die tiefsten Tiefen der menschlichen Natur stiegen diese Spitzen
der Gesellschaft hinab "A

8.2. Schulwesen
In der älteren Forschung war man - natürlich im Rahmen der „Katastrophentheo-
rie" - davon ausgegangen, daß mit der Eroberung Galliens durch die Franken
auch die klassische Bildung und das Schulwesen untergingenA Schon Henri Pi-
renne sprach dagegen allerdings - im Rahmen seiner großen These vom Umbruch
der Mittelmeerwelt - von der Kontinuität des Schulwesens bis zum Ende des 8.
Jahrhunderts^. Ein Teil der Aristokratie habe die Inhalte der klassischen Bildung
übernommen.
Diese Sicht ist allerdings von der Forschung nicht akzeptiert worden, zumal
die Gesamteinschätzung von Pirenne über die kulturelle Entwicklung auf Wider-
spruch gestoßen war. Schon Thompson meldete in seiner noch heute wichtigen
Arbeit grundsätzliche Bedenken insbesondere über den Fortbestand von Latein-
schulen anA und Pierre Riehe hat in seiner einschlägigen Untersuchung einen
lange gültigen Konsens formuliert: Das Schulwesen sei am Ende des 5. Jahrhun-
derts untergegangen. Seit dieser Zeit habe die Kirche das Bildungsmonopol be-
hauptet, auch wenn Reste von Bildung erhalten geblieben seien und man etwa
davon ausgehen könne, daß einzelne Adlige Hauslehrer beschäftigten. Das Aus-
maß der adligen Bildung sei ungewiß, wurde von Riehe allerdings für die Ver-
hältnisse im Frankenreich als nicht allzu hoch eingeschätzt: Im wesentlichen könne
man davon ausgehen, daß der Adel illiterat gewesen seiA Eugen Ewig immerhin
wies darauf hin, daß Grammatik und Römisches Recht in der Auvergne noch im 7.
Jahrhundert unterrichtet worden sindA Angesichts des eher geringen Gewichts,

30 KlENAST, Vasallität, S. 565.
31 Vgl. ROGER, L'enseignement, S. 81-88; MARROU, Geschichte, S. 496if.
32 PlRENNE, l'etat, S. 170.
33 THOMPSON, Literacy, S. 7-11, 28.
34 RlCHE, Ecoles, S. 21f.; vgl. ferner DERS., Education, S. 35, 60f., 179f.
35 Vgl. EWIG, Fortleben, S. 414.
 
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