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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0427

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hältnisse im Mäconais ab. Rittertum und Adel (cheValerie und noblesse) bezeich-
nten im Vendömois und in den Nachbarregionen nicht zwei soziale Schichten,
sondern zwei komplementäre Ausdrücke sozialer Macht. Ritter zu sein verweise
auf Werte, die Menschen unterschiedlichen Ranges verbanden. Auch die hohen
Adligen seien Ritter gewesen, doch trete dies in den Quellen in den Hintergrund.
Je niedriger der soziale Rang war, desto wichtiger sei es gewesen, den Rittertitel
hervorzuheben. Fundamental war die methodische Kritik: Die Wortgeschichte von
miics allein sage noch nicht viel aus. Man könne von einer nachkarolingischen
Ritterschaft mit einer Kontinuität bis ins 12. Jahrhundert sprechen. Gegen Flori
gewandt meinte Barthelemy, daß mEcs und UHSSMS, wie Bloch und seine Vorgänger
behauptet hatten, tatsächlich Synonyme gewesen seien, doch gelte dies nicht nur
in lehnrechtlichen Kontexten. Im Hintergrund der abweichenden Einschätzung
Barthelemys steht ein anderes Verlaufsmodell: Seiner Meinung nach kann man
keineswegs von der Auflösung eines Staates, sondern von der Kontinuität adliger
Herrschaft sprechen.
Demnach ist eine der zentralen Fragen der Forschung nach wie vor umstritten.
Ob „das Rittertum" „von unten" kam, wie etwa van Winter oder Barbero vermute-
ten^, oder „von oben", wie etwa Duby, Lemarignier, Parisse, Fleckenstein und
Flori meinten^, hängt von der Definition ab, von dem Aspekt, den man für zentral
hält, und von dem Indikator, der für die Untersuchung gewählt wird. Partiell
handelt es sich um Scheinprobleme, da nicht eben selten die sozialgeschichtliche
Entwicklung und die Problematik der Werte und Formen verwechselt werden.
Zudem läßt die Frage nach der Herkunft der Ritter, wie etwa die Debatte zwischen
Barbero und Flori zeigt, einen großen Interpretationsspielraum offen.

10.2. Ritter und mz'Jes - die deutsche Forschung
Die deutsche Forschung entdeckte sozialgeschichtliche Fragestellungen zum Rit-
tertum im wesentlichen erst nach 1945, als man sich von dem idealisierten und
ideologisch ausgesprochen „zeitgebundenen", vor allem aus der Dichtung ge-
wonnenen Ritterbild etwa eines Hans Naumann abwandteV Daß diese Forschun-
gen mit einer Kritik an Marc Bloch begannen, ist wenig verwunderlich, war dessen
Modell doch im wesentlichen kompatibel mit der älteren deutschen, primär
rechtsgeschichtlich orientierten Forschung. Schon Gerd Tellenbach wandte gegen

25 Vgl. VAN WINTER, Rittertum, S. 23; BARBERO, L'Aristocrazia, S. 44-56.
26 Vgl. FLECKENSTEIN, Rittertum und höfische Kultur, S. 429; FLORI, Chevalerie, noblesse, S. 266;
PARISSE, Les ministeriaux, S. 18; DERS., Noblesse et chevalerie, S. 82: „L'ideal chevaleresque est venu
des chefs, non des inferieurs".
27 Vgl. NAUMANN, Deutsche Kultur; DERS., Der staufische Ritter.
 
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