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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0249

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Die Auflösung des Karolingerreichs

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den Bauernstand absank. Die Nachkommen der „verbauerten edlen Knechte"
seien die Beutellehner der neueren Zeit. Herbert Klein kam für die von ihm unter-
suchten Verhältnisse in Salzburg zu einem völlig anderen Ergebnis. Die edlen
Knechte seien nie ein eigener Stand gewesen, sondern jene nicht zum Ritter erho-
benen Nachkommen von Ministerialen, die einen Teil des niederen Adels bildeten.
Die soziale Grenze nach unten betrachtete Klein als unscharf; noch im 12. Jahr-
hundert habe offenbar allein die Ritterweihe und die Lebensführung den niederen
Ritter vom Bauern geschieden^. Unter Beutellehen seien Lehen zu verstehen, die
aus adligen Händen in bürgerliche übergingen. Dies sei wohl nicht oder nur selten
durch Absinken von Adligen in den Bauerstand geschehen, sondern durch Ver-
käufe seit dem 13. Jahrhundert. Die Unterscheidung zwischen Ritterlehen und
Beutellehen richte sich in Salzburg im 15. und auch noch im 16. Jahrhundert also
nach den Standesverhältnissen des Inhabers^. Dieser Deutung schloß sich etwa
Josef Fleckenstein an^s. Christoph Kutter wies für die bayerischen Verhältnisse
zusätzlich darauf hin, daß dort überhaupt erst im 16. Jahrhundert zwischen den
beiden Formen des Lehens unterschieden wurdet

4.5. Kontinuitätsprobleme
Auch bei der Einschätzung der Frage, wie Adelsherrschaften in der Zeit nach dem
Ende des Karolingerreichs entstanden, sind also verschiedene Modelle entworfen
worden, die ebenfalls nicht zuletzt davon abhängen, wie man die „Staatlichkeit"
des fränkischen Reichs einschätzPA Hinzu kommt ein damit zusammenhängen-
des Problem: Die Beschreibung des Prozesses hängt ganz wesentlich davon ab, wo
man die Anfänge ansetzt. Die ältere deutsche Forschung sprach, wie etwa auch
Marc Bloch, vom Zerfall der Staatlichkeit. In der Darstellung Dubys wurde die
Staatlichkeit weniger immer weiter aufgesplittert denn „von unten" ausgehöhlt.
Die deutsche Forschung im Rahmen der Adelsherrschaftstheorie sieht einen er-
neuten Durchbruch autogener, vorstaatlicher Adelsherrschaften durch den nur
vorübergehend über die Stämme gelegten Mantel der Staatlichkeit.
Gerade in der heutigen Forschung werden mehrere Modelle als Modifikatio-
nen dieser unterschiedlichen Einschätzungen nebeneinander verwendet. In Abset-
zung von einer älteren Sicht, die er bei Georges Duby repräsentiert fand, meinte

133 Vgl. KLEIN, Ritterlehen, bes. S. 342-345.
134 Vgl. KLEIN, Ritterlehen, S. 330f.
135 Vgl. FLECKENSTEIN, Frage der Abgrenzung, S. 311.
136 Vgl. KUTTER, Münchner Herzoge, S. 475.
137 Vgl. dazu in jüngster Zeit die gegensätzlichen Entwürfe von NlTSCHKE, Staatlichkeit, und ALTHOFF,
Das ottonische Reich.
 
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