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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0440

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436

Kapitel 10

18. Jahrhundert. Dies forderte die rigide Kritik von Josef Fleckenstein heraus^.
Man könne sehr wohl von einem Ritterstand sprechen, der durch das Bewußtsein
der Gemeinsamkeit, aber auch rechtlich definiert worden sei. Die ordmgs als
Grundkategorien des zeitgenössischen Gesellschaftsbildes seien nicht als festge-
fügte Einheiten zu verstehen, sondern würden sich überschneiden. In jüngerer Zeit
hat Karl-Heinz Spieß die Frage aufgeworfen, ob es sinnvoll sein könne, von einem
Geburtsstand der Ritter zu sprechen. Ritter sei auch im Spätmittelalter noch pri-
mär ein Funktionstitel; eine weibliche Form habe, anders als etwa bei den Titeln
Graf oder Herzog, nicht existiert^. An dieser Diskussion zeigt sich das erwähnte
Problem, daß es wegen der Kontextabhängigkeit von Begriffen vielleicht prinzi-
piell nicht möglich ist, auf der Basis der Verwendung zeitgenössischer Termini ein
konsistentes Gesellschaftsmodell zu entwerfen.

10.3.4. Die Erhebung zum Ritter
Die Fragen nach Form, Herkunft, Zweck und Bedeutung der Erhebung zum Ritter
werfen ebenfalls Schwierigkeiten auf, die auch, aber eben nicht nur auf die Quel-
lenlage zurückzuführen sind. Vom Ansatz ist abhängig, wie man sich das zeitliche
und inhaltliche Verhältnis zwischen Umgürtung mit dem Schwert oder dem Rit-
tergürtel Tw'üh'ag oder mz'ühzrg), der höfischen Schwertleite und den kirch-
lichen Schwert- und Rittersegen vorstellt. Verschiedene Entwicklungsmodelle
lassen auch bei diesen sehr konkreten Fragen unterschiedliche Antworten zu.
Dies gilt zunächst für die Wurzeln des formalen Akts der Erhebung zum Ritter.
Die ältere Forschung führte das Ritual auf die von Tacitus geschilderte Wehrhaft-
machung des mündig gewordenen germanischen Jugendlichen zurück^. Wilhelm
Erben beschrieb demgemäß die Entwicklung der Erhebung zum Ritter als einen
Prozeß von der germanischen Volljährigkeitserklärung zur Aufnahme in einen
Stand, die schließlich nicht mehr an die Mündigkeit gebunden gewesen sei. Kirch-
liche Einflüsse seien hinzugetreten. Nach Erben war sowohl die Übergabe des
Schwertes als auch die Überreichung des Gürtels germanischen Ursprungs. Im 13.
und vor allem dann im 14. Jahrhundert löste der Ritterschlag als einfachere Zere-
monie die Schwertleite abV Maßmann kam in seiner Untersuchung der literari-
schen Quellen zum selben Ergebnis. Erst im 12. Jahrhundert sei das Ritual nicht
mehr für alle Freie, sondern für die Söhne von Königen und Fürsten verwendet

86 Vgl. J. FLECKENSTEIN, Rezension zu H.G. REUTER, Lehre, in: BDLG 108, 1972, S. 524-528; DERS., Pro-
blem der Abschließung, S. 360f.
87 Vgl. K.-H. SPIESS, Abgrenzung, S. 199.
88 Vgl. jüngst noch SCHLUNK/ GIERSCH, Ritter, S. 22.
89 Vgl. ERBEN, Schwertleite, S. 148t.
 
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