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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0258

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254

Kapitel 5

der älteren Forschung als Preisgabe königlicher Rechte und damit als eine Art
Dammbruch, der die Entstehung des Territorialstaats ermöglichte^. Zwar stellte
schon Klingelhöfer fest, daß man lediglich von Bestätigungen eines de facto bereits
eingetretenen Zustands sprechen könne, doch auch er vertrat die Auffassung, daß
es sich um ursprünglich königliche Rechte gehandelt habe, die von den Fürsten
usurpiert worden seienA
Heute werden die Maßnahmen Friedrichs von Teilen der Forschung völlig an-
ders interpretiert. Willoweit verwies auf die Bedeutung der Rezeption des Römi-
schen Rechts. In dieser Perspektive erscheint die Vorstellung vom König als Herr
aller Regalien nicht als eine nur noch theoretische Rückversicherung angesichts
einer Situation, in der dem Herrscher die entscheidenden Rechte bereits entglitten
waren, sondern als eine durchaus offensive und neuartige Maßnahme, mit deren
Hilfe versucht worden sei, eigenständige Rechte des Adels als vom König stam-
mend zu bezeichnen. Als Beispiel verwies Willoweit auf den Königsbann für die
hohe Gerichtsbarkeit, der angesichts der neueren Vorstellungen tatsächlich nicht
mehr ohne Probleme als ein ursprüngliches Recht des Herrschers betrachtet wer-
den konnteA

5.2. Grafen und Herzoge
Nicht umstritten ist die Auffassung, daß die Ottonen die Erblichkeit der Grafen-
würde akzeptiert haben; gewertet wird das, unabhängig vom Verlaufsmodell, als
Ausdruck der Tatsache, daß die Ottonen im Unterschied zu den Karolingern die
Existenz einer nicht vom König abhängigen Adelsmacht anerkennen mußtenA
Dies hatte Folgen für den Herrschaftsaufbau. Auf lange Sicht sei die Grafengewalt
umgedeutet worden und habe sich von einem königlichen Amt zu einer adligen
Herrschaft entwickelt. Der von Lange geprägte und häufig zitierte Begriff der
„Herrengrafen"^ schien den Endpunkt dieser Entwicklung treffend zu beschrei-
ben. Umstritten blieben aber die beiden Fragen, auf welcher Basis und von wel-
chem Ausgangspunkt aus diese Entwicklung stattfand.
Die ältere, stark rechtsgeschichtlich geprägte Literatur, die eine wohlgeordnete
karolingische Grafschaftsverfassung als Ausgangspunkt betrachtete, mußte deren
„Auflösung" als eine historische Entwicklung beschreiben, in der insbesondere die
gräflichen Rechte weiterentwickelt und - vor allem - immer weiter aufgesplittert

18 Vgl. nur SCHRÖDER/KÜNSSBERG, Rechtsgeschichte, S. 643f.
19 Vgl. KLINGELHÖFER, Reichsgesetze.
20 Vgl. WILLOWEIT, Rezeption; DERS., Verfassungsgeschichte, S. 65.
21 Vgl. H. KELLER, Staatlichkeit, S. 19.
22 LANGE, Herrschaftsbereich, S. 5.
 
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