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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0526

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522

Kapitel 11

welches politisch-kulturelle System das Avancement welches Menschentypus
begünstige oder verhindere, spielt heute eine höchst untergeordnete Rollern.

11.4.7. Adel und Kriegswesen
Für die ältere Forschung erschienen auch die Veränderungen des Kriegswesens im
späten Mittelalter die These von der Krise des Adels zu bestätigen. Die klassische
Sicht, wie sie etwa in den Arbeiten Wohlfeils oder Schmidtchens zum Ausdruck
kommt, hebt vor allem den Bedeutungsgewinn des Fußvolks hervoW Seit der
Karolingerzeit hätten die Reiterkrieger eindeutig das Schlachtfeld beherrscht; für
das 14. Jahrhundert könne man von einer „Renaissance" des Fußvolks sprechen.
Pointiert hat Wohlfeil vom Ende des „Zeitalters des Zweikampfs" und einer an-
schließenden „Epoche des Massenkampfes" gesprochen^. Als Folge habe der
Adel seine Stellung als nicht zuletzt militärisch definierter Elite eingebüßt. Verwie-
sen wird dabei auf die Erfolge der flandrischen Städte gegen den Grafen von Ar-
tois (1302 Sporenschlacht von Kortrijk/Courtrai), der Schweizer gegen die Habs-
burger und gegen Burgund (seit 1315 Morgarten) sowie der englischen Heere im
Krieg gegen Frankreich (seit 1346 Crecy). Auch die Wagenburgen der Hussiten,
die in den Kämpfen zwischen 1419 und 1434 als bewegliche Festungen verwendet
wurden, hätten eine neue und sichtlich schwer zu bewältigende Herausforderung
für die militärische Taktik geschaffen^. Im 15. Jahrhundert hätten größere Forma-
tionen, etwa in Gestalt geschlossener „Gewalthaufen" an Bedeutung gewonnen.
Die Entwicklung einer durchdachten militärischen Taktik galt der klassischen
Lehre demnach als ein Spezifikum des späten Mittelalters^. Schon Max Weber hat
diesen Gedanken in größere Zusammenhänge eingebettet und darin sogar einen
wichtigen Indikator für einen Epochenwandel gesehen: „Das spezifische Lehns-
heer ist ein Ritterheer, und das heißt: der individuelle Heldenkampf, nicht die
Disziplin des Massenheeres spielt die ausschlaggebende Rolle". Man könne für
das hohe Mittelalter weder von Disziplin noch von Gehorsam hinsichtlich des
militärischen Führers sprechen; die Tapferkeit des einzelnen Kriegers habe die
Schlacht entschieden, nicht die Befolgung einer Taktik. Die „rationale Disziplin"
der seit dem Spätmittelalter kriegsentscheidenden Massenheere „mit ihrem ratio-

412 ACHAM, Geschichte und Sozialtheorie, S. 25. Vgl. dazu auch HÜBINGER, Max Weber, S. 276f.
413 Vgl. WOHLFEIL, Adel und Heerwesen, DERS., Adel und neues Heerwesen; DERS., Heerwesen; DERS.,
Ritter; SCHMIDTCHEN, Aspekte; DERS., Kriegswesen, S. 221-238.
414 WOHLFEIL, Adel und neues Heerwesen, S. 205.
415 Vgl. SCHMIDTCHEN, Kriegswesen, S. 212-220.
416 Vgl. DELBRÜCK, Geschichte, Bd. 3, S. 315ff., 339, 346, 669f. Nach SCHMIDTCHEN, Kriegswesen. S. 241-
292, lassen sich auch Ansätze zu militärischen Theorien erst im späten Mittelalter feststellen.
 
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