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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0387

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Ministerialität

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stehend, weil sich mit Karl Bosl ein weiterer Protagonist der Königsfreientheorie
dezidiert gegen diese These aussprachA Bosl war es wichtig, die Aufstiegsmög-
lichkeiten und die soziale Dynamik der Gesellschaft „im Aufbruch des 12. Jahr-
hunderts" hervorzuheben, und sah demgemäß „gerade in den niedrigsten Ele-
menten", den scruz proprz'z, die Vorläufer der späteren Ministerialität. Als wichtigs-
tes Argument galt ihm die Annahme, daß diese ein besonders enges Verhältnis
zum Herrn hatten. Diese Sicht traf allerdings auf Widerspruch. Philippe Dollinger
meinte, daß der soziale Aufstieg im wesentlichen nur für Unfreie möglich gewesen
sei, die bereits eine hervorgehobene Stellung innerhalb der^äzrzz'izü besaßen^. Na-
türlich wirft die Frage auch ein begriffsgeschichtliches Problem auf: Thomas Zotz
vertrat die Ansicht, daß die scruz die höherrangigen Mitglieder der /äzrzz'üo gewesen
seiend
Das von Bosl entworfene Bild der hochmittelalterlichen Gesellschaft jedenfalls
war geprägt von Dynamik. Die Vorstellung von einer Gesellschaft, in der einer
großen Zahl von Menschen rasanter sozialer Aufstieg durch Leistung und qualifi-
zierte Dienste möglich war, dürfte ebenfalls nicht ganz ohne zeitgenössische Ein-
flüsse entworfen worden sein, zumal Bosl dieses Phänomen als universell gültig
betrachtete und dabei dezidiert auf die Gesellschaft der Gegenwart verwies^. In
der DDR-Forschung meinte man daher recht unverblümt, daß seine Arbeiten die
Ideologie der bundesrepublikanischen Nachkriegsgesellschaft widerspiegeln
würdenA

9.2. Aufstiegsfaktoren
Es ist wenig erstaunlich, daß selbst auf der Grundlage der neueren Sicht unter-
schiedliche Antworten auf die Frage gegeben werden konnten, welche Aufstiegs-
faktoren eine Rolle spielten. Außer Zweifel steht, daß die Auflösung der Villikati-
onsverfassung und das Ende der ^azrzzfz'a als Rahmenbedingungen von enormer
Bedeutung warenA Für den sozialen Aufstieg und den Anschluß an den Adel
spielten unterschiedliche Kriterien eine Rolle, deren Gewichtung in der Forschung
schwankt. Zunächst ist auf das Ende der rechtlichen Einschränkungen bei Allodi-
al- und Lehnsbesitz hingewiesen worden. Zotz faßt den derzeit geltenden Konsens

86 Vgl. BOSL, lus, S. 297-304.
87 Vgl. DOLLINGER, Bauernstand, S. 269, 279.
88 Vgl. ZOTZ, Formierung, S. 7-13.
89 Vgl. BOSL, Elitebildung, S. 458-471.
90 Vgl. BLEIBER, Unterschichten, bes. S. 156; vgl. dazu BORGOLTE, Sozialgeschichte, S. 170.
91 Vgl. RÖSENER, Wirtschaftsverhältnisse, S. 301; exemplarisch FENSKE, Genese; FREED, Formation.
 
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