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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0097

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Adelsforschung - Wurzeln und Kontexte

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wurden. Bereits Heinrich Fichtenau meinte, mit zzoMz's sei im 10. Jahrhundert ein
unscharfes gesellschaftliches Leitbild verbunden worden, das durch eine bestimm-
te Lebensweise erwiesen werden mußte. NoMz's sei demnach jemand gewesen, der
von den Zeitgenossen so bezeichnet wurdet Auch Karl-Heinz Spieß wies darauf
hin, daß im 14. Jahrhundert der Lebensstil für die Frage bedeutsam war, wer denn
zu den zioMcs gezählt wurde. „Über eines muß man sich immer klar sein: nobilis
bezeichnet im 14. Jahrhundert keinen juristisch faßbaren Tatbestand, sondern eine
soziale Verhaltensform"^.
Die Grenzen der historischen Bedeutungsforschung sollten demnach nicht
übersehen werden. Zum einen ist die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, daß
man dann, wenn man die Sicht der Zeitgenossen übernimmt, auch deren vielleicht
nicht zutreffende Mythen über die Entstehung des Adels adaptiert. Die Bedeutung
des materiellen Besitzes für die tatsächliche soziale Stellung etwa kann in dieser
Perspektive wohl kaum erfaßt werden. Zudem unternehmen begriffsgeschichtli-
che Forschungen in sozialwissenschaftlicher Absicht den Versuch, ein logisch kon-
sistentes Bild der Gesamtgesellschaft auf der Basis zeitgenössischer Termini zu
entwerfen. Ob dies überhaupt prinzipiell möglich ist, wird man durchaus bezwei-
feln können^. Auf jeden Fall zeigt aber auch die Geschichte der etymologischen
Untersuchungen zum Problem des frühmittelalterlichen Adels, daß der jeweilige
Ansatz die Interpretation von Quellenbegriffen geradezu determiniert.

1.2.5. Probleme der Sozialstrukturanalyse
Gerade die Diskussionen um den Begriff zzoMz's zeigen ein Problem, das in der
Geschichtswissenschaft nicht gelöst worden ist und dessen Bedeutung in der Dis-
kussion mittlerweile sogar rapide abzunehmen scheint: die Frage, wie die mittelal-
terliche Gesellschaft aufgebaut war, oder, besser gesagt, mit welchen Kriterien die
mittelalterliche Gesellschaft adäquat analysiert werden soll. Hier zeigen sich deut-
lich die Tücken der Begriffsgeschichte: Mit zeitgenössischen Termini wie rzoMz's,
IzFer, z'nygzzMzzs, rnz'Us, zTzzzüsUzizzüs usw. läßt sich offenbar kein logisch konsistentes,
hierarchisch geordnetes Gesellschaftsbild entwerfen, das mit heutigen Modellen
vergleichbar wäre und auf allgemeine Zustimmung stoßen könnte, da die Begriffe
nicht scharf voneinander abgrenzbare Personengruppen bezeichneten, sondern
wegen ihrer Kontextabhängigkeit grundsätzlich mehrdeutig bleiben. Da sich die
Forschung gewöhnlich nicht mit der Ansicht anfreunden kann, daß zunächst -

494 Vgl. FICHTENAU, Lebensordnungen, S. 185-215.
495 K.-H. SPIESS, Ständische Abgrenzung, S. 199.
496 Vgl. OLBERG, Freie, S. 266.
 
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