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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0422

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418

Kapitel 10

Freien verdrängt. Trotz der landrechtlich unterschiedlichen Stellung seiner Ange-
hörigen habe der Ritterstand die Ministerialen umfaßt, die Kriegsdienste leisteten,
und die Freien, die Lehen besaßen. Durch die einheitliche Lebensweise seien die
Schranken gefallen und ein Berufsstand entstanden, der schließlich Eingang in die
Heerschildordnung gefunden habe. Unterschieden wurde schon früh der Ritter-
stand, der mit dem niederen Adel gleichgesetzt wurde, und die Ritterwürde, die
sowohl für den niederen als auch für den hohen Adel erstrebenswert gewesen sei.
Problematisch war und blieb bis heute die Frage, wie man sich diesen Prozeß ge-
nau vorzustellen hat.

10.1. Adel und Rittertum - die französische Forschung
Begriffsgeschichtliche Untersuchungen begannen am Anfang des 20. Jahrhunderts;
im Zentrum des Interesses standen Bedeutung und Verwendung des Wortes mßgs.
Bis heute ist allerdings kein konsensfähiges Ergebnis erzielt worden, da sich auch
in diesem Fall das grundlegende Problem aller begriffsgeschichtlichen Analysen
zeigte: Quellenbegriffe hängen vom Kontext der Verwendung ab und sind daher
mehrdeutig. Als besonders schwierig erwies sich die Beantwortung der Frage,
wann mües oder Ritter als Begriffe verstanden werden können, die eine Position in
einer sozialen Hierarchie angeben sollen. Daß man auch bei diesem Problem mit
regionalen Unterschieden rechnen muß, ist beinahe selbstverständlich.
Paul Guilhiermoz hat sich 1902 in einer grundlegenden Arbeit als erster aus-
führlicher mit der Geschichte des Begriffs wßes beschäftigP. M;7es habe im 9. und
10. Jahrhundert zunächst den Vasallen bezeichnet und sei dann auch für den adli-
gen Krieger verwendet worden. Diesen Befund ordnete Guilhiermoz in das sei-
nerzeit vorherrschende Verlaufsmodell ein. Im Frühmittelalter könne man nur von
einer sozial offenen Aristokratie sprechen, durch das Rittertum sei eine rechtliche
Abgrenzung der Gemeinschaft der Reiterkrieger vollzogen worden. Die Waffen-
übergabe des 11. Jahrhunderts habe im 13. Jahrhundert einen juristischen Aspekt
bekommen; die Erhebung zum Ritter deutete Guilhiermoz als einen rechtlichen
Akt, der dazu geführt habe, daß der Adel als „soziale Klasse" im Sinn eines
Rechts- und Geburtsstandes mit rechtlichen und vererbbaren Privilegien entstan-
den sei. Zentral sei nicht die Abstammung gewesen, sondern die gesellschaftliche
Funktion. Demnach sei der Adel aus dem Rittertum hervorgegangen. Da Guil-
hiermoz sich auf die französischen Verhältnisse konzentrierte, meinte er, nur Freie
hätten in diesen Stand auf genommen werden können.

7 Vgl. GUILHIERMOZ, Essai, bes. S. 460-464.
 
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