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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0221

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4. Die Auflösung des Karolingerreichs

4.1. Charakter der Auflösung: .Jüngere Stammesherzogtümer"
Die Einschätzung der Auflösung des Karolingerreichs wirft Kontinutitätsprobleme
auf zwei Ebenen auf. Sowohl in institutionen- als auch in personengeschichtlicher
Hinsicht kann der Prozeß recht verschieden beschrieben werden. Daraus resultie-
ren wiederum unterschiedliche Thesen zur Frage, wie und auf welcher Grundlage
sich örtlich und zeitlich stabile adlige Herrschaften etabliert haben.
In älterer Sicht sprach man von der Auflösung eines Staates. Dabei wurden für
die Verhältnisse im Westen durchaus andere Entwicklungen angenommen als für
das Ostreich. Während das Westreich zunächst weiter zerfallen sei. sei im Osten
neue Staatlichkeit auf einer anderen, nicht zuletzt ethnisch bestimmten Basis ent-
standen. So erschien das Ende des Karolingerreichs der Forschung des 19. Jahr-
hunderts im wesentlichen als ein Prozeß, in dem sich völkische Einheiten, die
älteren germanischen Stämme, aus dem zerfallenden Großreich ausgliederten und
zu neuem staatlichen Leben erwach tent Ermöglicht worden sei dies durch die
dynastischen Konflikte in der Königsfamilie, die die eigensüchtige Politik eines
sich zunehmend verselbständigenden Adels nicht mehr beherrschen konnte.
Die Etablierung eigenständiger Herrschaftsbereiche im Osten wurde demnach
als ein Resultat der Politik von Stämmen und deren Führern geschildert. Die Legi-
timation der sogenannten jüngeren Stammesherzöge kam gewissermaßen „von
unten"; schon allein die Bezeichnung zeigt, daß man in diesen „personalen Spi-
tzen" der Stämme das Wiederaufleben der älteren Institution des Herzogs der
Völkerwanderungszeit sah. Für Bayern meinte man, die Wahl des Herzogs durch
das vom Adel repräsentierte Volk mit einigen Einschränkungen auch nachweisen
zu könnend
Wann genau die Geschichte des „Deutschen" Reichs begonnen haben soll, war
strittig. Zunächst setzte man den Beginn eher früh an. Georg Waitz etwa ist reprä-
sentativ für eine ältere Sicht, die bereits die Reichsteilung im Vertrag von Verdun
843 als Ausgangspunkt des Deutschen Reichs betrachtetet Umstritten war aller-
dings, ob man bereits für diesen Zeitpunkt von einem „deutschen" Gemein-

1 Vgl. nur WAITZ, Verfassungsgeschichte, Bd. 5, S. 36, 132-143; DÜMMLER, Geschichte, Bd. 2, S. 560,
571.
2 Vgl. REINDEL, Arnulf, S. 214f. Reindel meinte, daß man von einer Mitwirkung des bayerischen Adels
bei der Erhebung des Herzogs sprechen könne.
3 Vgl. WAITZ, Verfassungsgeschichte, Bd. 4, S. 699-702.
 
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